„Preise wie bei Aldi“

■ Am 1. Januar 1996 tritt das neue Tarifsystem der Telekom in Kraft / Vieles wird teurer, alles komplizierter / Ein Telekom-Experte verteidigt das Konzept

Der Verband der Postbenutzer ist vom neuen Tarifsystem nicht begeistert. Es sei die „rigorose Ausbeutung“, bevor in zwei Jahren das Monopol auslaufe. Das Gegenteil ist richtig, behauptet die Telekom. „Es muß sich betriebswirtschaftlich rechnen“, so Hans-Joachim Brinckmann, Sprecher der Direktion Hamburg, „wir haben es uns nicht leichtgemacht.“ Der taz erklärte der Diplom-Ingenieur, wie die 1,3 Millionen Hamburger Telekom-Kunden auch nach dem 1. Januar 1996 noch günstig telefonieren können.

taz: Wie lange haben Sie gebraucht, um Ihr eigenes Tarifsystem zu verstehen?

Hans-Joachim Brinckmann: Gar nicht lange.

Sie haben aber auch studiert.

Es hat sich eben einiges geändert, die Gebühren für eine Einheit und die Zeiten, zu denen man telefonieren kann. Da gibt es jetzt ganz klare Sparten.

So eindeutig finden wir die nicht. Wie soll der Kunde da noch durchsteigen?

Wie man es auch beim Einkaufen tut, man guckt nach Preisen und Sonderangeboten. Man sollte die für sich günstigste Zeit herausfinden. Was teurer wird, sind lange Gespräche im Citybereich zu den entsprechenden Zeiten. Dafür wird der Fernbereich wesentlich billiger.

Fast 80 Prozent aller Gespräche werden im Orts- und Nahbereich geführt.

Das muß man relativieren. Im Citybereich fallen bei den Privatkunden 77 Prozent aller Verbindungen an, aber nur 36 Prozent der Ausgaben.

Dennoch werden die meisten Gespräche im Citybereich teurer.

Sie können an Einzelpositionen hin und her rechnen. Man muß aber das Gesamtpaket sehen. Ich kann Verbilligungen errechnen, die phantastisch sind. Entscheidend ist das Verhalten des Kunden. Der muß selber seinen Weg finden, das kann man ihm nicht abnehmen. Wenn Sie zu teuren Zeiten telefonieren wollen, dann kostet das eben so viel. Wenn ich in ein Delikatessengeschäft gehe, um dort einzukaufen, ist das teurer als bei Aldi. Das weiß man aber schon vorher.

Wollen Sie Ihr Unternehmen mit Aldi vergleichen?

Nein, wir liegen gut in der Mitte. Von den Leistungen her sind wir im Delikatessenbereich, bei den Preisen Aldi.

Über die Jahre haben die Menschen feste Telefonier-Zeiten liebgewonnen. Sonntag abend wird die Oma angerufen. Soll die jetzt vereinsamen, weil es zu teuer wird?

Ich glaube nicht, daß das große Änderungen sind, die man von den Leuten verlangt. Nach unserer Auffassung ist für jeden im neuen Tarif etwas dabei. Er ist gerechter, weil die Zeittakte kürzer sind. So kann man seine Kosten besser steuern.

Sollen wir jetzt mit der Stoppuhr in der Hand telefonieren?

Viele Leute arbeiten schon mit einem Gebührenzähler, weil man sich leicht mal bei der Zeit vertut. Ich bleibe dabei: Der Kunde kann Geld sparen, weil er sich seine Zeit besser auswählen kann.

Seinen Anschluß aber nicht. Wird eine Erstinstallierung demnächst 500 Mark kosten?

Für 65 Mark (die bisherige Anschlußgebühr; die Red.) kriegen Sie keinen Handwerker ins Haus. Das war ein politischer Preis. In Zukunft müssen Sie mit 100 Mark und je nach Aufwand auch mit bis 200 Mark für eine Änderung rechnen. Für einen Neuanschluß können es auch schon 300 Mark sein.

Wieviel verdient die Telekom durch das neue Tarifsystem?

Nichts, das Gesamtkonzept kostet uns fünf Milliarden Mark.

Der Verband der Postbenutzer behauptet, Sie würden zusätzliche Einnahmen von jährlich 15 Milliarden Mark erzielen. Alleine durch die gestrichenen Freieinheiten fließen 1,5 Milliarden in Ihre Kassen.

Diese Zahlen kann ich nicht nachvollziehen.

Fragen: Clemens Gerlach