: Maxime Abschiebung
■ Innensenator rechtfertigt Abschiebung kranker Kurdin. GAL hat Klärungsbedarf
Die Innenbehörde gibt es unverhohlen zu: „Das Papier ist nicht komplett vom Tisch“, bestätigte gestern ihr Sprecher Christoph Holstein. Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) werde das von der GAL Mitte Mai abgelehnte behördeninterne Papier, das eine erhebliche Verschärfung der Hamburger Abschiebepraxis vorsieht, bei einem rot-grünen Koalitionsgespräch in der kommenden Woche erneut einbringen. Auch die Abschiebung einer kranken Kurdin am Donnerstag rechtfertigte Wrocklage gestern: „Sie steht im Einklang mit den Koalitionsvereinbarungen.“
Die GAL hatte nach der Abschiebung „dringenden Klärungsbedarf“ angemeldet. Die Ausländerbehörde hatte die Frau trotz einer ärztlich attestierten schweren Depression und ungeachtet des Protestes der grünen Fraktionschefin Antje Möller in ärztlicher Begleitung abgeschoben – in einer Art „Trotzreaktion“, glaubt Möller. Da ihr Fall bereits der achte in zwei Wochen war, in dem ein kranker Flüchtling abgeschoben wurde, wurde für die GAL das Vorgehen der Behörde „unverträglich“ mit dem Koalitionsvertrag.
„Wir fordern eine Umstrukturierung der Behörde“, erläuterte Möller gestern ihr Ziel für das Koalitionsgespräch. Die Betroffenen sollten für die Dauer ihrer Verfahren von demselben Sachbearbeiter betreut werden – was de facto eine Auflösung der Abteilung „Aufenthaltbeendende Maßnahmen“ bedeuten würde. Personelle Konsequenzen für Behördenleiter Ralph Bornhöft hält Möller aber „zur Zeit noch nicht für sinnvoll“. Eine Umstrukturierung forderte gestern auch Rolf Polle, SPD-Sprecher im Eingabenausschuß. Die Behörde müsse die Praxis „überhasteter Abschiebungen“ einstellen und das umstrittene Papier zurückziehen: „Der Konflikt wird ausgetragen“.
Claudia Leitsch von der Gemeinwesenarbeit St. Pauli (GWA), welche die Kurdin betreut hatte, warf der GAL vor, „bis gestern die Ohren verschlossen“ zu haben: „Jetzt haben wir es mit einer weiteren Verschärfung der Politik der rot-grünen Regierung zu tun.“ Auch für die Regenbogen-Abgeordnete Susanne Uhl ist jetzt der Senat gefordert, denn „die Ausländerbehörde geht offenbar nur noch nach einer Maxime vor – und die heißt Abschiebung“. Heike Dierbach
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