: Schiffeversenken im Gelben Meer
Südkoreanische Marine versenkt Torpedoboot aus Nord-Korea. Die jüngsten Spannungen zwischen den beiden verfeindeten koreanischen Staaten gefährden die geplante Wiederaufnahme des Dialogs ■ Von André Kunz
Tokio (taz) – Der Streit um fischreiche Fanggründe im Gelben Meer und die dortige Grenzziehung zwischen Nord- und Süd-Korea ist gestern eskaliert. Südkoreanische Kriegsschiffe versenkten während eines 30minütigen Schußwechsels ein nordkoreanisches Torpedoboot und beschädigten mehrere Patrouillenboote. Sieben südkoreanische Soldaten wurden verletzt. Schon seit einer Woche belauern sich nord- und südkoreanische Schiffe an der Demarkationslinie im Gelben Meer. Am Freitag war es zu Kollisionen gekommen, als Schiffe aus dem Süden nordkoreanische Marineboote rammten, um sie zu vertreiben.
Gestern morgen eskalierte der Konflikt, als nach Angaben aus Seoul vier nordkoreanische Patrouillenboote und drei Torpedoboote, die rund 20 Fischkutter in die krabbenreichen Fanggründe auf südkoreanischer Seite begleiteten, unversehens das Feuer gegen südkoreanische Patrouillenboote eröffneten. Die Südkoreaner schossen zurück, versenkten ein Torpedoboot und beschädigten mehrere Patrouillenboote der Nordkoreaner, die schließlich die umstrittenen Gewässer verließen.
Der Zwischenfall ereignete sich nur Minuten vor einem Treffen des UN-Kommandos mit nordkoreanischen Generälen im Waffenstillstandsdorf Panmunjom. Seit 1953 bewachen UN-Truppen die demilitarisierte Zone zwischen beiden koreanischen Staaten. Bei den gestrigen Gesprächen über die siebentägige Konfrontation im Gelben Meer rief das UN-Kommando beide Seiten auf, sich hinter die Demarkationslinien zurückzuziehen. Das Treffen mußte unterbrochen werden, um Nord-Koreas Vertretern die Rücksprache mit Pjöngjang zu ermöglichen. Ergebnisse wurden nicht bekannt.
Nord-Korea reagierte auf die Versenkung mit gewohnter Kriegspropaganda und verurteilte Süd-Koreas Reaktion als „gefährliche militärische Provokation“, die darauf abziele, die koreanische Halbinsel an den Rand eines Krieges zu führen. Weniger martialisch tönte es aus Seoul. Die Regierung versetzte zwar die Streitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft, beruhigte aber zugleich die Bevölkerung. „Auf militärische Provokationen vom Norden begegnen wir nach den im Waffenstillstandsabkommen festgelegten Regeln“, sagte Präsidentensprecher Park Joon-yung. Die von Präsident Kim Dae Jung eingeleitete Entspannungspolitik werde trotz des Zwischenfalls weitergeführt.
Für das Vordringen der Nordkoreaner im Gelben Meer werden verschiedene Gründe angenommen. Die Krabbenfischerei ist eines der einzigen noch intakten Gewerbe Nord-Koreas, das mit dem Export der in Japan gefragten Seetiere Devisen beschaffen kann. Offenbar wehren sich aber auch militärische Führungskräfte in Pjöngjang gegen einen Entspannungskurs mit dem Süden, da sie einen Verlust ihrer Privilegien im stalinistisch regierten Land befürchten. Nord-Korea unterhält trotz vierjähriger Hungersnot mit 1,2 Millionen Soldaten noch immer die viertgrößte Armee der Welt, deren Generäle zu den mächtigsten Männern im Land gehören.
Die Konfrontation kommt zu einem ungünstigen Augenblick, weil am Montag neue direkte Friedensgespräche zwischen den beiden Staaten in Peking angesetzt sind. Außerdem schließt in den USA der Korea-Beauftragte William Perry gerade einen Bericht ab, der eine Wende in der Nord-Korea-Politik Washingtons einleiten könnte. Die USA erwägen eine Lockerung des seit 1953 bestehenden Handelsembargos und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu dem hermetisch abgeriegelten Staat. Diese Annäherungen sind jetzt gefährdet.
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