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Aus dem Blecheimerchen geplaudert ■ Von Susanne Fischer
Auf dem Lande geht es ja immer sauber zu. Freitagnach- bis Sonnabend vormittag werden in allen Häusern die Omas und Opas an die Straße gestellt, die an anderen Tagen nie ihre Fernsehecke verlassen dürfen: zum Fegen.
Der Bürgersteig und die Gosse müssen hinterher lupenrein sein, sonst ist's aus mit dem Gnadenbrot. So tanzt der Besen bei jedem Wetter. Besonders im Sommer sind die Putzkolonnen kaum zu erkennen in ihren Staubwolken. Mühsam scharren sie ein Häufchen Dreck zusammen, schon kracht ein Laster durch die Straße und eine Stunde Arbeit war für die Katz. Andererseits läßt sich so das Tagwerk verlängern. Nur wer im Dorf an der Straße steht, kriegt nämlich alles mit: Wer zum Einkaufen fährt, zum Beispiel. Und wer vom Einkaufen wieder nach Hause kommt. Und wer zum Zigarettenautomaten geht.
So habe ich jeden Tag ein neues Problem. Wenn ich mein Kind in der Karre durchs Dorf schiebe (eine Tätigkeit, nebenbei bemerkt, die uns beide zum Heulen langweilt, aber Fegen kann der Kleine noch nicht), halte ich nach kurzer Zeit einen Obstrest in der Hand: Ob Kerngehäuse, ob Pfirsichstein, ich traue mich nicht, den Biomüll auf den frischgeleckten Bürgersteig fallen zu lassen. Bis zum Abfalleimer an der Bushaltestelle ist es noch weit. Der kühne Wurf ins Gebüsch der Nachbarn empfiehlt sich auch nicht. Wer weiß, wer wieder hinter der Gardine steht. Wir leben sowieso in einem strengen Landkreis. Bei uns wird recycelt, daß die Blechdose kracht, und der Restmüll wird nur noch alle vier Wochen abgeholt. Woraus sich zwanglos ergibt, daß Biomüll nicht in der „Restmülltonne“ landen kann, sondern nur in der Biotonne oder auf dem Komposthaufen. Mit letzterem kann man sich eine hübsche kleine Rattenpopulation heranziehen, mit der Biotonne, die auch nur alle zwei Wochen geleert wird, eine reiche Auswahl an Kleinstlebewesen bis Madengröße. Um unsere diesbezügliche Tierliebe zu wecken, ist die Restmüllabfuhr sehr teuer geworden.
Das wiederum fördert die Futterplätze in freier Wildbahn. Zwischen unserem Ort und dem Nachbardorf erstreckt sich ein ausgedehntes Garnichts. In der Mitte befindet sich ein Wäldchen, in dem ein kleiner Rastplatz für Touristen angelegt wurde. Natürlich gibt es in unserer Gegend gar keine Reisenden, außer zum Zigarettenautomaten, aber wir sind halt auch ein bißchen eitel. Seit Jahren fahre ich auf dieser wenig benutzten Straße durch das Garnichts. Seit Jahren sehe ich andauernd Reisende auf dem Rastplatz. Reisende aus dem Landkreis. Sie stecken die Hände in die Hosentaschen und pfeifen unauffällig. Und kurz danach lehnt wieder ein dicker Müllsack an dem kleinen Touristen-Rastplatz-Abfalleimer, der nur für Bonbonpapiere ausgelegt ist.
Einmal stapelte sich sogar eine Campingmöbelgarnitur neben dem Blecheimerchen. Die kann man nicht einfach so wegfegen. Die fressen auch die Ratten nicht. Deshalb hat unser Landkreis jetzt den Mülleimer abmontiert. Wie blöd, dachte ich. Als ob den Schweinen das nicht total egal wäre, wo sie doch auch jederzeit ihre Pestizidkanister in den Wald werfen. Aber tatsächlich: Der Rastplatz ist jetzt sauber. Bis auf die Obstreste, die ich sammle und an dieser Stelle mit Schwung aus dem Autofenster werfe.
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