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Vorm Bierglas ist gut sabbern

■ Schaumrhetorik im „Magazin für überschäumenden Genuß“

Vierteljährlich und zum Irrsinnspreis von 9,50 Mark erscheint via Trautwein Verlag, Freiburg, seit Anfang 1999 das gut 80 Seiten starke „Magazin für überschäumenden Genuß“ BierKultur. Elsbeth Trautwein, die einer Mannschaft vorsteht, deren Mitarbeiter als „genießend & unbeschreiblich weiblich“, „so ehrlich wie Quellwasser“ oder „standfest, mit viel Ausdauer und Tiefe“ charakterisiert werden, ist dabei, sich einen Namen in Sachen beängstigend weit entwickelter Unfähigkeit zu machen. Dem „hingebungsvollen Genießer“ widmet sie ihr Papierbündel, dem „wählerischen Individualisten“ und dem „informierten, weltgewandten Bürger“, jenen, „die sich die Freiheit nehmen, mit anregend gestalteten Artikeln Kulturelles und Genußvolles zu verbinden“.

Why? „Trendforscher prophezeien schon lange“, orgelt Madame, „daß das sogenannte ,Lustprinzip‘ die innovative Möglichkeit ist, viele Informationen auf angenehme Art und Weise aufzunehmen und entsprechend leicht zu verarbeiten.“ Wir vermögen nicht zu sagen, was Freuds späte Kulturtheorie wirklich meinte – den hier eingekochten Würg aus Werbespeech und Kommunikationsrhabarber wahrscheinlich weniger. Doch die leicht verdauliche köstliche Kost regnet dieser Tage ja ohnehin dauerstürmend als Zeitungsscheiße vom Himmel. Wissen light, Know-how ultra – danach ist der yuppieesk-globale „Zisch, der die Welt verbindet“ tatsächlich geraten, ein letzter Furz des Pressegauls. Orthographie und Interpunktion passen sich mühelos der dt. Braueretikettenkunst an, großflächige Billigarchivfotos und Postkarten strecken Reiseführertexte auf zähe Längen, und darüber schwenken keiner Schülerpostille zu empfehlende Hobbyskribenten weihevoll den Phrasenstreuer.

Aus dem Konversationslexikon pinselt man die Kolonialgeschichte Surinams ab, zum Parbo, des Landes „Bier von Weltklasse“, sucht der Leser vergeblich eine Zeile, die dessen Geschmack bloß streifte. „Gerne können Sie aber auch an unserer nächsten Projektreise nach Surinam teilnehmen und selbst den edlen Gerstensaft versuchen.“ Danke, nein. Wir trinken Bier, keinen Gerstensaft.

Die größten Selbstverständlichkeiten gelten BierKultur als „Informationen“: etwa, daß unterm Dach des Klosters Andechs Stammgäste ihre Krüge verwahren lassen (zu Bayern allenthalben üblich). Der Berlin-Kreuzberger Bier-Company werden „köstliche hauseigene Spezialitäten“ attestiert, „genau wie wir Deutsche lieben auch die Venezolaner ihr Bier“, und der ganze Seich, ein deprimierend nahtloses PR-Gefasel, kulminiert im ungebrochenen Bekenntnis zur Genialität des deutschen Biers. „Vielfalt prägt die Weißbierszene.“

Wäre Bier ähnlich leer wie das durch BierKultur distribuierte Gesabbel, es stünde weiteren Absatzeinbrüchen bis zum Verschwinden nichts im Wege. Immerhin bewährt sich das steinalte Gesetz: Je mehr über Kultur geschwätzt wird, desto weniger ist eine vorhanden. Die sturzöde Freiburger Gasthausbrauerei Feierling „schafft Identität zum Produkt Bier“, Martin's Bräu nicht minder. Nur: Wer steckt seine triefende Nase tiefer in den nicht existenten Schaum der lebensnah pulsierenden „Bächle“ und ruft kraftvoller aus: „Freiburg ist die Feste des Freibiers, das niemand trinken mag!“?

Es herrscht Konfusion. Da gibt es „Sommerbiere“ (?), statt Marken immerzu „400 Biersorten“, und sagenhafte Entdeckungen macht die bierunbeleckte Crew zahlreiche : „Die Kornsäcke wurden über Seilwinden auf den Speicherboden der Brauerei gezogen, um von dort mittels Schwerkraft die anschließenden Behandlungsstufen zu durchlaufen.“ Oha. „Sogleich vom Barkeeper als Bierkenner erkannt“, lügt das Team, „werden wir darüber aufgeklärt, was wir gerade trinken.“

Wie das, was hinter den Etiketten Alaskan Frontier, Alaskan Amber, Alaskan Ale und Smoked Porter schwappt, mundet? Fehlanzeige. Das erschießungswürdige Brauhaus Oettingen „steht für Biervielfalt“, das Radigk's Brauhaus in Finsterwalde verspreche hellste Gaumenfreude und „den besonderen naturbelassenen Biergeschmack“, während zu Zwönitz „das Brauereifest mit Faßweitwurf“ begeistert. BierKultur ist ein „echter Wurf“: der schlimmste Totalausfall auf dem garstigen Feld der kulinarischen Simulationsmagazine und keineswegs – uaahh – „insbierend“. Das Editorial von Heft 2/1999 gesteht: „Wir haben erst den Hauch einer Ahnung, in welches Terrain wir uns begeben haben.“ Die beste Voraussetzung, Zeitung zu basteln.

Unsereins indes könnte, lesend statt süffelnd, glatt dem Wein an den Hals fallen. Jürgen Roth

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