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Nato, übernehmen Sie! (3): Kollateraljournalisten  ■   Von Wiglaf Droste

Wenn im Krieg Journalisten sterben, müssen die anderen Journalisten dankbar sein. Nichts hilft dem zu Recht miserablen Ruf der Branche so auf die Beine wie eine leibhaftige Leiche aus den eigenen Reihen; niemand wertet den Journalismus so auf wie ein toter Journalist. Im Gegensatz zur Existenz des Journalisten scheint immerhin sein Tod zu beweisen, daß der Journalist im Dienst der Wahrheit unterwegs sei, und man kann so schön die Legende erzählen von heroischen Menschen, von Abenteurern mit dem goldenen Herzen, von den Mutti Teresas mit Kamera und Laptop. In diesem Sinn gilt der Satz: Der beste, der nützlichste Journalist ist der tote Journalist.

Das weiß auch der Chefredakteur des Stern, Michael Maier, der seinen Leitartikel dem Nachruf auf zwei Stern-Reporter widmet, deren Tod selbst die Titelgeschichte des Stern ist. Dünnes Eis, könnte man finden, aber das ist Unsinn: Journalismus ist das Geschäft mit dem Inserat, um das man Meldungen und Bilder drapiert. Zwei tote deutsche Reporter sind eine Meldung in Deutschland, also geht die Geschichte an den Kiosk. Das einzig Unethische an diesem Geschäft ist, daß es nicht als das Geschäft erscheinen darf, das es ist, sondern als ein hochethischer Vorgang verkauft werden muß. Maier kann schlecht zugeben, daß die beiden toten Stern-Leute ihrem Blatt kaum besser hätten dienen können als mit ihrem Tod. Also legt der Chefredakteur Trauerflor an, schwärzt sich die Zunge und schreibt auf Halbmast. „Wie hoch kann der Preis sein für einen Journalismus, der sich nicht mit der Ungerechtigkeit, mit dem Leid der Welt abfindet?“ fragt Maier alle Stern-Leser, anstatt sich beim Anzeigenleiter zu erkundigen.

Im Heft folgen weitere Nachrufe, die belegen, daß es schwerlich ein schmierigeres Geschäft gibt als das mit der Intimität. Er „war einer, dem seine Erlebnisse nahegingen, der manchmal abends im Hotel weinte“, heißt es da, und ohne ihn gekannt zu haben, möchte man den toten Stern-Fotografen in Schutz nehmen gegen den Kitsch, der ihm hinterhergeschrieben wird: „Er war so gerne draußen. (...) Raus aus Schlafsack und Zelt, fotografieren, fotografieren, fotografieren. Leben pur.“ Geschrieben haben das ein Walter Wüllenweber und ein Peter Juppenlatz – jeder für sich schon ein schwerer Kollateralschaden.

Das gilt auch für Matthias Rüb von der FAZ, der eine „Pogromstimmung gegen Journalisten im Kosovo“ vermeldet, denn Pogrome, das haben die Scharpingdeutschen aus der Geschichte gelernt, machen sie jetzt nicht mehr selber, sondern verhindern sie, am liebsten auf blauen Dunst hin. Man spürt bei Rüb dieselbe nagende Unzufriedenheit, die auch viele seiner Kollegen plagt: Da haben sie drei Monate lang eine Blutrünstigkeit entfacht, die nicht mehr befriedigt werden kann, weil ihnen ein Frieden dazwischengekommen ist, der ihnen nicht schmeckt: So richtig besiegt sind die Serben nicht, und so bleibt Rüb nur, den kollateraltoten Serben postum ihre Zweitrangigkeit zu erklären. „Sie waren nicht im Fadenkreuz der Bomberpiloten“, schreibt Rüb. „Sie wurden nicht absichtsvoll getötet. Sie starben, weil Bomben sich verirrten“. Die armen Bomben aber heißen Hänsel und Gretel, und wenn sie nicht gestorben sind, dann fallen sie deutschen Journalisten auf den Kopf.

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