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Die Großen Acht mit großem Programm

Kosovo wird die eigentlichen Themen Globalisierung und Finanzmarktkontrollen überdecken  ■   Aus Köln Nicola Liebert

Lebensfreude, Glück und Unsterblichkeit symbolisieren die Darstellungen auf dem antiken Dionysos-Mosaik, auf dem die sieben mächtigsten Regierungschefs der Welt und der nicht ganz so mächtige russische Premierminister Sergej Stepaschin heute abend tafeln. Globalisierung, Schulden und Krieg aber sind ihre Gesprächsthemen bei Tisch.

Zwar wird der G-8-Gipfel erst morgen offiziell eröffnet, wenn Kanzler Gerhard Schröder feierlich seine hohen Gäste aus Frankreich und Großbritannien, den USA und Kanada, Italien und Japan sowie Rußland begrüßt. Doch über die eigentlich spannenden Themen des Gipfels wird schon heute in kleiner Runde (ohne Rußland) gesprochen: über Umfang und Finanzierung eines Schuldenerlasses für die ärmsten der Entwicklungsländer, über eine Regulierung der globalen Finanzmärkte, über die Kosten des geplanten Balkan-Stabilisierungspakts sowie wahrscheinlich auch über die zwei umstrittenen Atomkraftwerke, die die Ukraine vom Westen finanziert haben möchte, bevor sie die Schrottreaktoren in Tschernobyl abschalten will. Später kommen dann noch die Vorbereitung der nächsten Welthandelsrunde im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO als Tagesordnungspunkte dazu sowie die Hilfen und Auflagen für das hochverschuldete Rußland.

Nun ist der Sinn der 1975 in Rambouillet ins Leben gerufenen Chefrunde der sieben führenden Industrienationen, zu denen seit vergangenem Jahr auch Rußland offiziell gezählt wird, der informelle Austausch über die drängenden Probleme der Welt. Konkrete Beschlüsse sind daher nicht zu erwarten, ja sind gar nicht intendiert. Dennoch sind Signale für die künftige Entwicklung der Weltwirtschaft nur von den großen sieben Ländern zu erwarten. Welche Signale wird der Kölner Gipfel also aussenden?

„Globalisierung in ihren Herausforderungen begreifen“ ist das Motto der diesjährigen G-8-Runde. Das Thema könnte sich noch ändern, wenn sich die Konfrontation zwischen Rußland und der Nato im Kosovo zuspitzt. Die Globalisierung gehört seit dem Ende des Kalten Krieges zu den zentralen, immer wiederkehrenden Gipfelthemen. Zunächst als Heilsbringer für darniederliegende Volkswirtschaften wärmstens begrüßt und nach Kräften durch Liberalisierung der Märkte gefördert, erwies sich die Globalisierung jedoch als nicht ganz frei von unerwünschten Nebenwirkungen: Arbeitslosigkeit durch die Abwanderung von Arbeitsplätzen, Sozialdumping, Internationalisierung von organisierter Kriminalität und schließlich weltweite Finanzkrisen – zunächst 1994 in Mexiko, dann in Asien, Rußland und Brasilien. Seit Jahren befassen sich die Staats- und Regierungschefs auf ihren Gipfeln daher mit Sozial- und Beschäftigungspolitik (ohne Ergebnisse) und der sogenannten „internationalen Finanzarchitektur“.

Insbesondere die Asienkrise, die nicht nur die ärmeren Bevölkerungsschichten in den Industrieländern, sondern in erster Linie Banken und Exportindustrie traf, wurde zum Anlaß, nach einer Regulierung der enthemmten globalen Finanzmärkte zu rufen. Auf dem Gipfel 1998 in Birmingham versuchten die Staatsmänner, „allen zu demonstrieren, daß die G 8 die Globalisierungsprozesse unter Kontrolle hat“, schreibt die Nord-Süd-NGO Weed.

Auf Vorschlag des scheidenden Bundesbankpräsidenten Hans Tietmeyer wurde daraufhin vor einigen Monaten ein Forum für Finanzmarktstabilität eingerichtet, das Kapitalströme überblicken und bei besorgniserregenden Entwicklungen frühzeitig Alarm schlagen soll. Der Baseler Ausschuß für Bankenaufsicht soll dafür sorgen, daß hohe Anlagerisiken eher bekannt werden und seine Aufsicht auf die riskanten Hedge-Fonds ausdehen, wie den 1998 beinahe pleite gegangenen LTCM-Fonds, der nur mit Milliardensummen internationaler Banken gerettet werden konnte. US-Notenbankchef Alan Greenspan hatte sie damals zur Rettung des Anlagegrabs gedrängt, um eine staatenübergreifende Finanzkatastrophe zu verhindern.

Kanzler Schröder kündigte an, ihm sei vor allem daran gelegen, auch weiterhin Banken und private Anleger an der Krisenprävention und -behebung zu beteiligen. Doch „Finanzmärkte haben ein schmerzlich kurzes Gedächtnis“, stellte die Zeitung International Herald Tribune kürzlich betrübt fest. Die Asienkrise scheint bewältigt, die Brasilienkrise ist gar nicht richtig zum Ausbruch gekommen – so die allgemeine Wahrnehmung – und über Hilfen für Rußland ist man gern bereit, auf individueller Basis zu verhandeln, auch auf diesem Gipfel. Da nicht sein kann, was nicht sein darf, übersehen die Lenker der Weltwirtschaft, daß Länder, die Kapital- und Devisenkontrollen eingeführt haben, damit gut gefahren sind. Insbesondere Malaysia, das im vergangenen Jahr wüst kritisiert wurde wegen solcher Beschränkungen, konnte sich von der Asienkrise erstaunlich gut abgrenzen. Inzwischen denkt auch die wahrscheinliche Wahlsiegerin in Indonesien, Megawati Sukarnoputri, über Kapitalkontrollen nach.

Alle bisher vorgeschlagenen Maßnahmen der G 7 bewegen sich hingegen im Rahmen des herrschenden Paradigmas: Der Markt wird es schon richten. Er muß eben nur transparent und für alle offen sein. Auf irgendwelche Signale in Richtung einer echten Regulierung der Finanzmärkte, die auch gewisse Einschränkungen für den globalen Kapitalverkehr beinhalten würde, wird man deshalb auf diesem Gipfel vergebens warten.

Die G 7 werden auch auf diesem Gipfel keine Signale für eine Regulierung der Finanzmärkte aussenden

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