: Der Kandidat im Klassenzimmer
■ Auf einem bildungspolitischen Kongreß der SPD trug Walter Momper sein Desinteresse zur Schau. Anders als die Spitzenkandidatin Stahmer will er nicht im Schulressort enden
Nicht Schulsenator wolle er werden, stellte Walter Momper gleich zu Beginn klar, sondern Regierender Bürgermeister. Sein Schwerpunkt sei die Wirtschaftspolitik. Ehrliche Worte, aber vielleicht nicht besonders geschickt. Schließlich wollte die SPD mit ihrem bildungspolitischen Kongreß am Wochenende ihre Kompetenz auf dem Feld der Schulpolitik zur Schau stellen.
Vor rund 300 ZuhörerInnen, vielen Lehrern, Verwaltungsmitarbeitern, Gewerkschaftern, dafür wenigen Eltern und noch weniger Schülern, lobte der SPD-Spitzenkandidat das Berliner Schulsystem mit dürren Worten: „Die Berliner Schule ist gut. Es gibt keine Stadt mit so einem vielfältigen Angebot.“ Doch müsse auch die „Tür aufgestoßen, frische Luft hereingelassen werden“.
Mompers Vorschläge indes waren alles andere als originell. Der CDU-Forderung nach mehr Gymnasien ab der fünften Klasse erteilte Momper eine Abfuhr: „Nur für den Hauptstadtumzug das bewährte Berliner Schulsystem zu ändern, das machen wir nicht.“ Dennoch solle der Elternwille stärker respektiert werden. So sollen die Eltern künftig frei wählen dürfen, auf welche Grundschule sie ihr Kind schicken.
Stoisch und ohne rhetorische Schnörkel betete der Kandidat das gängige Repertoire herunter: Die Grundschulreform 2000, familienfreundliche Halbtagsschule, mehr Verantwortung für die einzelne Schule, mehr Förderung für „ausländische“ Kinder. Immerhin versprach Momper, „den Anteil der Bildungsausgaben im Haushalt zu halten. Schule hat Vorrang trotz aller Sparnotwendigkeiten.“
Viel mehr als der Spitzenkandidat hatte aber auch Schulsenatorin Ingrid Stahmer nicht anzubieten. Zwar versprach sie, die Qualität der hauptstädtischen Schulen zu sichern. Doch dazu müsse man erst einmal herausfinden, was eine gute Schule überhaupt sei. Eine „Arbeitsgemeinschaft Qualitätssicherung“ will herausfinden, was eigentlich gesichert werden soll. Außerdem wünscht sich Stahmer eine „große Studie“ über die schulische Situation in Berlin.
Für die Gesamtschulen dagegen haben die Genossen schon konkrete Pläne. Künftig sollen die SchülerInnen an allen Anstalten dieses Typs auch das Abitur machen können, forderte der Schulexperte der Fraktion, Peter Schuster.
Keine Zukunft sieht Schuster dagegen für das Landesschulamt. Die zentrale Behörde für alle schulischen Belange im Land, erst vor vier Jahren eingerichtet, möchte Schuster wieder auflösen. Über die Einstellung von Lehrern sollen die Bezirke wieder selbst entscheiden. Erst kürzlich hatte der Rechnungshof gerügt, das Landesschulamt bearbeite viele Vorgänge doppelt.
Morgen will die SPD-Fraktion den Entwurf für ein neues Schulgesetz diskutieren. Strittig ist vor allem Stahmers Wunsch nach einer zentralen Prüfung nach der 10. Klasse, den Schuster ablehnt.
Einfach machte es sich dagegen der Landesvorsitzende der SPD. „Wenn sie dem Lehrer eine Antwort geben“, sagte Peter Strieder zu seinem Parteifreund Schuster, „stehen die Schüler heute nicht mehr auf. Das ist das erste Anzeichen für den Verfall der Schule.“ Julia Naumann
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