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Wer Iren Autos leiht, ist selber schuld ■ Von Ralf Sotscheck
Die Iren sind ein Volk von Trunkenbolden und haben am Lenkrad eines Autos nichts verloren. Das findet jedenfalls US-Anwalt John Stemberger. Vor einem Gericht in Florida vertrat er ein irisches Ehepaar, dessen Tochter bei einem Autounfall in den USA umkam. Sean McGrath, der Freund der Tochter, der den Leihwagen gefahren hatte, war betrunken. Stemberger verklagte die Mietwagenfirma: Jedes Kind wisse, daß man Alkohol am Steuer in Irland nicht so eng sehe. So sei die Wahrscheinlichkeit sehr hoch gewesen, daß McGrath angetrunken fahren würde. Schließlich sei er Ire, und deshalb hätte man ihm nie einen Wagen leihen dürfen.
Als die Einzelheiten des Prozesses in Irland bekannt wurden, gab es einen Aufschrei: Die Nation bzw. die Medien waren empört. Der Irish Independent wetterte, Stemberger sei Rassist. Und die sonst recht gesetzte Moderatorin einer morgendlichen Radiosendung tobte, als sie Stemberger zum Interview am Telefon hatte, und warf ihm vor, auch nicht besser zu sein als die englischen Karikaturisten des 19. Jahrhunderts, bei denen die Iren wie Affen aussahen.
Stemberger gab klein bei und änderte die Klageschrift. Jetzt soll nicht mehr die irische Trunksucht schuld am Unfall gewesen sein, sondern die Tatsache, daß die Iren auf der falschen Seite fahren und nicht an gute Straßen gewöhnt sind – auf der Grünen Insel seien die Fahrbahnen voller Pflastersteine. Er meinte wahrscheinlich Schlaglöcher, denn Kopfsteinpflaster und Eselskarren sind auch in Irland selten geworden.
Stembergers Rückzieher löste plötzlich Selbstkritik aus: Vielleicht hat der Mann ja recht? Irland hat den höchsten Verbrauch pro Kneipensitzung, nämlich 4,5 Einheiten Alkohol. In Italien sind es nur 1,6. Die Sunday Tribune schrieb: „Wie oft hört man Leute sagen, daß sie sich auf ihre Urlaubsreise freuen, und dann geben sie damit an, wieviel sie dort trinken werden. Wir vergleichen die Menge Alkohol, die wir zu uns nehmen und bewundern gegenseitig unsere Megakater.“
Und in welchem Land greift der Premierminister ein, damit ein Richter mit einem Alkoholsünder zu gnädig umgeht? Der Rechtsanwalt Philip Sheedy hatte betrunken mit überhöhter Geschwindigkeit einen Menschen totgefahren und war dafür zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden. Nach wenigen Wochen kam er frei, weil der Richter die Revision des Verfahrens gegen Sheedy, einen Parteigenossen, klammheimlich vorgezogen hatte, als keine Zuschauer im Gerichtssaal waren. Als die Familie des Opfers eines Tages den Todesfahrer, den sie im Gefängnis wähnte, in der Dubliner Innenstadt entdeckte, wurde der Fall publik.
Auch die Dubliner Stadtverwaltung kennt ihre Pappenheimer. Ab nächsten Monat können Autofahrer, die abends gebechert haben, ihre Autos stehen lassen, ohne befürchten zu müssen, daß die Kiste abgeschleppt wird. Voraussetzung ist allerdings, daß man die Parkgebühren im voraus entrichtet. Wer aber einen Vollrausch hat, wird wohl kaum die dafür notwendige Konzentration aufbringen. Und wenn man die Parkgebühr schon vor dem ersten Schluck entrichtet, den Rausch also von langer Hand vorplant, kann man das Auto ebensogut zu Hause lassen und mit dem Taxi fahren. Das müßte auch in Florida funktionieren.
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