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Abgeholt in der Früh

■ Abschiebungs-Papier der Innenbehörde wird offenbar weiter umgesetzt

Als die ägyptische Familie Ewida am Sonntag abend schlafen ging, konnte sie nicht ahnen, daß sie sich schon 24 Stunden später in Kairo befinden würde. Gestern rissen MitarbeiterInnen der Ausländerbehörde die Eheleute mit ihren fünf Kindern frühmorgens aus dem Bett und schoben sie nach Ägypten ab. Die Familie hatte noch eine Duldung bis Anfang Juli.

Damit setzt die Innenbehörde weiterhin ihre Pläne zur Erhöhung der Abschiebezahlen durch (taz berichtete). In einem internen Papier hatte das von Senator Hartmuth Wrocklage (SPD) geleitete Amt Mitte Mai angekündigt, künftig auch kranke Flüchtling – in ärztlicher Begleitung – abzuschieben, vermehrt Familien auseinanderzureißen und die Betroffenen frühmorgens zu überraschen, damit sie sich „der Ausreise nicht entziehen können“.

Mit dem Untertauchen war bei der siebenköpfigen Familie Ewida kaum zu rechnen. Daß sie dennoch unangekündigt ins Flugzeug nach Ägypten gesetzt wurde, begründet Ausländerbehördensprecher Norbert Smekal damit, daß am 6. Juli die Paßersatzpapiere ungültig geworden wären, die für die Ausreise zwingend erforderlich sind. „Wir wollten sicherstellen, daß die Abschiebung rechtzeitig vor Ablauf der Papiere erfolgt“. Die Familie hatte noch für weitere zwei Wochen eine Duldung gehabt, weil die Mutter Fadia Mohamed Kalil im April einen Herzanfall hatte und sich seither in ärztlicher Behandlung befand.

Auf der Grundlage des Innenbehörden-Papiers waren kürzlich der suizidgefährdete Murat Ercan und die schwerkranke Kurdin Nikar Selcuk abgeschoben worden. Das hatte für erheblichen Unmut gesorgt – beim Koalitionspartner GAL, aber auch innerhalb der SPD-Fraktion. Gestern morgen allerdings, als die Abschiebung noch zu verhindern gewesen wäre, konnte SPD-Fraktionschef Holger Christier kein Interesse für den Fall der Familie Ewida aufbringen: „Bei Einzelfällen werde ich mich nicht einmischen“, so Christier zur taz. Er gehe davon aus, daß es „bereits ein juristisches Vorspiel“ gegeben habe. Im übrigen seien konsequente Abschiebungen im Einklang mit dem rot-grünen Koalitionsvertrag.

Elke Spanner

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