Äthiopien und Eritrea tragen ihren Krieg nach Somalia

■ Somalia, das Land ohne Regierung am Horn von Afrika, ist wieder Kriegsschauplatz. Äthiopien und Eritrea rüsten rivalisierende Milizen auf, die sich nun heftige Kämpfe liefern

Mogadischu (taz) – Nach Gefechten der vergangenen Woche mit offensichtlich über 20.000 Toten im Krieg zwischen Eritrea und Äthiopien gibt es jetzt einen kleinen Hoffnungsschimmer. Spätestens im Juli dürften die Kämpfe dort abflauen, denn dann beginnt die dreimonatige Regenzeit. An einer anderen Front haben die Spannungen allerdings zugenommen – in Somalia, denn auch dort tragen nun beide Länder ihren Konflikt aus.

Am 6. Juni verlor der somalische Warlord Hussein Aidid die Kontrolle über Somalias viertgrößte Stadt Baidoa an die rivalisierende „Rahanwein Resistance Army“ (RRA) und machte den Eingriff äthiopischer Truppen dafür verantwortlich. Baidoa liegt in der Region Bay, Brotkorb Somalias, und war im September 1995 von Hussein Aidids Vater Mohammed Farah Aidid persönlich an der Spitze von mehreren hundert Milizionären eingenommen worden. Das Umland Baidoas wurde jedoch auch noch danach von der RRA kontrolliert, deren Kämpfer des Rahanwein-Clans Aidids Habr-Gedir-Clan die Eroberung fremder Gebiete vorwarfen.

Am jüngsten Kampf um Baidoa waren nach UN-Angaben 3.000 gut ausgerüstete äthiopische und RRA-Soldaten beteiligt. Unterstützung hätten sie von der äthiopischen Luftwaffe und Artillerie bekommen. Mit der Eroberung Baidoas sei die Schaffung einer äthiopischen Pufferzone entlang seiner Grenze mit Somalia abgeschlossen.

Die lokale Presse in Somalias Hauptstadt Mogadischu berichtete am Wochenanfang außerdem, daß die RRA Bur Hakaba, 50 Kilometer östlich von Baidoa auf der Straße nach Mogadischu, eingenommen habe und daß die Aidid-Milizen auch aus Quoryoley geflohen seien. In dieser Stadt soll Eritrea äthiopische Rebellen der gegen Äthiopiens Regierung kämpfenden „Oromo-Befreiungsfront“ (OLF) ausgebildet haben. Ali Aden Qualinle, RRA-Sprecher in Mogadischu, sagte der taz, daß seine Miliz nun alle Regionen, die vor dem Bürgerkrieg vom Rahanwein-Clan besiedelt wurden, zurückerobern werde. Das nächste Ziel ist der Flughafen Balidogle an der Straße Richtung Mogadischu.

Äthiopien hat zwar schon in der Vergangenheit somalische Milizen ausgebildet und mit Waffen beliefert sowie 1997 somalisches Territorium besetzt, als es Lager einer islamistischen Miliz auflöste. Aber die jüngste Intervention dürfte von der strategischen Allianz zwischen Aidid, Eritrea und der OLF ausgelöst worden sein. Daß eritreische Soldaten seit Mai OLF-Kämpfer in Quoryoley ausbildeten und daß Eritrea die OLF über Aidid mit Waffen belieferte, war ein offenes Geheimnis. Erst am vergangenen Freitag landete wieder ein Schiff im zentralsomalischen Hafen Faah mit einer Ladung von 120 Tonnen Waffen für Aidid – unter anderem mehr als 5.000 Kalaschnikow-Gewehre und Flugabwehrraketen.

Ziel der eritreischen Initiative ist es offenbar, die OLF durch Somalia den Süden Äthiopiens infiltrieren zu lassen, damit das Land gezwungen sein würde, Truppen von der Front mit Eritrea abzuziehen. Die OLF vertritt die größte äthiopische Bevölkerungsgruppe, die Oromos, und führt einen bewaffneten Kampf gegen die äthiopische Regierung. Der gelang es jedoch offenbar, die Infrastruktur der OLF im Süden Äthiopiens zu zerstören, und auch der OLF-Versuch der vergangenen Monate, den Krieg von Basen im Norden Kenias nach Äthiopien zu tragen, erwies sich als wenig erfolgreich. So suchte sie neue Unterstützung in Somalia und Eritrea.

Hinter der Eskalation in Somalia zeichnet sich ein Konflikt zwischen Äthiopien und der arabischen Welt ab. Nachdem Äthiopiens Regierung 1997 erfolglos versuchte, Frieden zwischen den ihr nahestehenden somalischen Warlords zu vermitteln, hatte Ägypten die Initiative übernommen und Ende 1997 ein Abkommen über eine gemeinsame Verwaltung der Warlords Hussein Aidid und Ali Mahdi über Somalias Hauptstadt Mogadischu ausgehandelt. Eine gemeinsame Polizeitruppe wurde geschaffen, die von Ägypten, Libyen, Jemen und Katar finanziert wurde. Die Beziehungen zwischen Äthiopien und Ägypten waren deshalb in den vergangenen Monaten angespannt.

Außerdem hat Eritrea bessere Beziehungen zur arabischen Welt als Äthiopien. Die Tageszeitung Quaran in Mogadischu meldet, daß Katar und andere arabische Staaten den Transport der eritreischen Waffenlieferung an Aidid in Faah finanziert hätten. Sollte dies stimmen, würde es bedeuten, daß das arabische Lager den Einfluß Äthiopiens in Somalia begrenzen will und sich vielleicht sogar im äthiopisch-eritreischen Krieg auf die Seite Eritreas stellt.

Peter Böhm