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„Unsere Macht reicht nicht“

■ GAL-Fraktionschefin Antje Möller im taz-Interview über Hamburgs Abschiebepolitik und ihr Vertrauen in SPD-Innensenator Wrocklage

taz hamburg: Als vor zwei Wochen die kranke Kurdin Nikar Selcuk abgeschoben wurde, hat die GAL Innensenator Hartmut Wrocklage (SPD) noch gedroht, die Praxis der Ausländerbehörde sei unverträglich mit dem Koalitionsvertrag. Heute ist davon keine Rede mehr. Haben Sie kalte Füße bekommen?

Antje Möller: Nein. Wir führen den Streit mit dem Innensenator weiterhin. Wir haben unsere Kritik mehrfach deutlich gemacht – mehr können wir erst einmal nicht tun. Ich erwarte, daß Herr Wrocklage bei dem Gespräch am kommenden Donnerstag einen Vorschlag vorlegt, der die Kritik und die Wünsche der GAL berücksichtigt.

Wieso sind Sie da so optimistisch? Die Ausländerbehörde setzt ein Papier, das eine Verschärfung der Abschiebepraxis vorsieht, weiterhin unbeeindruckt um.

Ich bin nicht optimistisch, differenziere aber zwischen Senator und Behörde. Es ist die Behörde, die da offensichtlich ein Problem mit dem Nein der GAL hat. Der Senator hat definitiv erklärt, daß er das Papier nicht umsetzt.

Aber er hat sich in der vergangenen Woche ausdrücklich hinter das Vorgehen der Behörde gestellt und sogar offen zugegeben, daß das Papier nicht vom Tisch ist.

Das habe ich auch mit Befremden zur Kenntnis genommen. Ich habe aber keinen Grund, jetzt grundsätzlich mißtrauisch zu sein. Es bringt doch nichts, immer plakativ mit einem Bruch der Koalition zu drohen. Politik hat auch etwas damit zu tun, daß man sich Zeit nimmt, um Dinge zu verändern.

In der Zeit schiebt die Behörde in Ruhe weiter ab.

Das ist in der Tat schwer auszuhalten. Aber es ist ja nicht so, daß wir nur zusehen – wir intervenieren auch weiterhin in den konkreten Fällen und können möglicherweise neue verhindern.

Bisher ohne Erfolg.

Wir mußten feststellen, daß unsere politische Macht in diesem Punkt nicht ausreicht. Welche Schlüsse wir daraus ziehen, ist abhängig von dem Gespräch mit dem Innensenator.

Und wenn er nicht auf die Kritik der GAL eingeht?

Herr Wrocklage würde einen großen Fehler machen, unsere Argumente nicht ernst zu nehmen. Dann haben wir in der Tat einen großen Koalitionsstreit. Wir wollen, daß unser Wunsch nach einer Umstrukturierung der Ausländerbehörde berücksichtigt wird.

Genau das hat die Regenbogen-Gruppe in der Bürgerschaft auch gefordert. Wieso gab es da von der gesamten GAL-Fraktion nur eisiges Schweigen?

Inhaltlich stimmen wir mit der Regenbogen-Gruppe diesem Punkt weiterhin überein. Politisch gehen wir aber nun mal keinen gemeinsamen Weg mehr. Die Regenbogen-Gruppe will den Konflikt zuspitzen.

Mit der CDU hat die GAL in diesem Punkt offenbar etwas gemeinsam – dem Abgeordneten Jürgen Klimke wurde applaudiert.

Wenn sich ein CDU-Abgeordneter so deutlich von der Linie seiner Partei abwendet, muß man das bestärken. Fragen: Heike Dierbach

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