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Ich wollt, ich wär ein Huhn

Karens KochKunst – Die Serie der taz hamburg für Genießer. Teil 2: Von Geflügel, das es sich in Hamburg gutgehen läßt  ■ Von Karen Schulz

Von einem munteren Hahnenschrei geweckt zu werden, ist nach üblichen Maßstäben der Inbegriff von Idylle. Mitten in der Stadt allerdings um 5 Uhr morgens von einem blechern-hohlen Krähen geweckt zu werden, läßt die wilde Romantik schnell vergehen. Dieses Szenario kennen Menschen in Ottensen ziemlich gut, gibt es doch mitten im Stadtteil einen Hühnerhof: die Mottenburger Hühnertwiete.

Die Kleintiergruppe der Motte betreut neben Hühnern auch einige Bienenstöcke auf dem Motte-Dach. Bis vor kurzem gab es zudem noch eine Horde Enten, die allerdings mittlerweile verspeist worden sind. Neue Enten wird es in dem kleinen Gehege nicht geben, denn das putzige Federvieh hat den Mini-Teich fast zum Umkippen gebracht – die Infrastruktur hält eben nicht jedes Geflügel aus. Die Hühner hingegen leben hier ziemlich gut: Ab und an werden sie zwar von Kindern geärgert, aber meist fallen Gemüsereste ab, die sie aus den Händen der Fütternden picken. Zur Belohnung gibt es dafür auch Eier – einmal pro Woche kann man diese hier käuflich erwerben. Von freilebenden Hühnern, die so glücklich sind, wie man es als Huhn vielleicht nur sein kann.

Eine Eiersorte steht momentan nicht zum Verkauf: die der Araukanerhühner – eine besondere Sorte, die man unschwer am fehlenden Sterz erkennt. Auch der stolze Hahn, Herrscher über die Schar, ist ein immerhin halbreinrassiger Araukaner, der den beiden ebenfalls hier ansässigen Zwerghähnen das Leben nicht allzu leicht macht.

Die Eier der Araukaner sind zu erkennen an der zart grünlich bis bläulichen Färbung. Zur Zeit werden sie von den BetreuerInnen eifrig brütenden Hennen untergeschoben, in der Hoffnung auf Nachwuchs. Die Araukanereier sind besonders lecker – auch wenn sich die Hühnerfans da nicht ganz einig sind: So schwört zum Beispiel Biologe Marc Török allein auf das Aroma der blauen Exemplare. Ob grün oder blau, diese Eier glänzen vor allem mit einem geringen Cholesteringehalt, ein ernsthaftes Argument für Fans des regelmäßigen Frühstücksei-Genusses. Denn die amerikanische Lösung zur Senkung des Cholesterinspiegels kann nicht ernsthaft erwogen werden: Im Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten wird Eiweiß getrennt vom Eigelb verkauft und letzteres für ein garantiert cholesterinfreies Rührei als gereinigtes Pulver dem Eiweiß wieder untergejubelt. Mit solcherlei Surrogaten müssen sich hierzulande bisher nur die armen Ei-AllergikerInnen auseinandersetzen, wenn auch das Thema Ei zur Zeit kein unbelastetes ist.

Umso besser, wenn man mit der Hühnertwiete eine Lieferquelle des Vertrauens direkt vor der Haustür hat. Die Gefahr, daß die Mottenburger Eier Dioxin beinhalten, ist ziemlich gering, denn hier wird ein hochwertiges Misch-Trockenfutter verabreicht. Vielleicht sollte man dem morgendlichen Hahnenschrei doch etwas freundlicher entgegenblicken? Immerhin kündet er von einem Stückchen Biotop mitten im Großstadtdschungel.

Mottenburger Hühnertwiete hinter dem Stadtteilzentrum Motte, Eulenstraße 43; Eier und selbstgeschleuderter Honig werden mittwochs von 17-18 Uhr verkauft.

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