„Bis 1987 ging jeder zur Schule“

■ In Kamerun haben die Zwangsmaßnahmen des Währungsfonds den Schulbesuch verändert, berichtet Georgine Kengne Djeutane

taz: Vor zehn Jahren beschloß eine Konferenz der Vereinten Nationen in Jomtien (Thailand), bis zum Jahr 2000 für alle Menschen eine „Bildung für alle“ zu erreichen. Wurde das Ziel in Kamerun erreicht?

Georgine Kengne Djeutane: Nein. Bis 1987 war Kamerun das am meisten gebildete Entwicklungsland. Fast 97 Prozent der Kinder konnten lesen und schreiben.

Seit damals hat sich vieles geändert, denn die Subventionen für die Schulen wurden gestrichen. Heute müssen die Eltern für die Bildung ihrer Kinder Gebühren zahlen, und die steigen andauernd. Es sitzen bis zu 100 Kinder in einer Klasse.Gleichzeitig sind die Gehälter und Löhne um die Hälfte gesunken, es gibt eine hohe Arbeitslosigkeit, viele Kinder leben auf der Straße.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Bildungsmisere und der Auslandsverschuldung der sogenannten Drittweltstaaten?

Es gibt einen direkten Zusammenhang. Bis 1987 war die Schulbildung nämlich kostenlos. Alle Familien, egal ob sie arm oder reich waren, konnten bis damals ihre Kinder in die Schule schicken. Die Einführung der Gebühren war eine Bedingung, die das Strukturanpassungsprogramm des internationalen Währungsfonds setzte. Kamerun ist diesem Programm seit 1987 unterworfen. Ähnliches betraf auch das Gesundheitswesen.

Um zur Überwindung der Misere beizutragen, haben kamerunische regierungsunabhängige Organisationen eine eigenen Zusammenschluß gegründet und ihn – in Anspielung auf den Pariser Club der Gläubigerstaaten – den „Yaounde Club“ genannt.

Was tut dieser Club?

Der Yaounde Club wurde auf Initiative der Kirchen Kameruns gegründet, um einen Teil des Geldes – 30 Prozent – aus einer Schuldenumwandlung der deutschen Regierung in Höhe von 20 Millionen Dollar in Bildungsprojekte stecken zu können. Darin arbeiten sowohl zivilgesellschaftliche Organisationen mit als auch Vertreter von Ministerien und vom Hohen Schuldenrat, als Pendant zu einem Zusammenschluß deutscher Entwicklungshilfeorganisationen in einem bilateralen Komitee für diese Projekte. Wir wollten einfach die Idee der Erlaßjahr-Kampagne aufnehmen, Gegenwertfonds zu bilden, und praktisch umsetzen. Das läuft seit anderthalb Jahren in den privaten kirchlichen Schulen – muslimischen, katholischen und protestantischen – für insgesamt über 5.000 Schüler auch sehr gut.

Was sind die Effekte des Projekts?

Wenn wir erfolgreich durchkommen, werden sich die sozialen Bedingungen sowohl für die Lehrer als auch die Schüler wieder verbessern. Dann bekommen die Lehrer am Ende des Monats auch wieder ein Gehalt, das ihnen heute oft nicht gezahlt werden kann, und die haben ja selbst Kinder und eine Familie zu ernähren. Damit wird also ein Teil Armut beseitigt. Gleichzeitig steigt die Qualität der Bildung wieder, wenn sich die Lehrer wieder auf den Unterricht konzentrieren können, statt sich Sorgen machen zu müssen, wie sie das Geld für den Lebensunterhalt auftreiben können.

Interview: Thomas Ruttig