piwik no script img

■ Die anderen zum neuen Bundestag

Großbritannien

Manchester Guardian:

„Löbes unbestrittenes Recht, von dem Widerstand seiner Landsleute gegen Hitler zu sprechen, gibt seiner Begrüßungsrede an die Abgeordneten in Bonn ein besonderes Gesicht. Seine Bitte um Verständnis im Ausland für die Leiden des deutschen Volkes seit 1933 und für die gegenwärtigen Leiden der deutschen Kriegsgefangenen verdient beachtet und zu Herzen genommen zu werden.“

The Times (London):

„Das Interesse der Westmächte wird in erster Linie darauf gerichtet sein müssen, Dr. Adenauer behilflich zu sein, seine Freiheit gegenüber den extremistischen Nationalisten der Rechten zu bewähren. Die Westmächte sollten nicht nur überwachen und abwarten, sondern den etappenweisen Prozeß der Einführung Deutschlands in die Organisation Westeuropas unterstützen.“

Daily Mail (London):

„Man muß dafür sorgen, daß Deutschland keinen Schaden anrichten kann. [...] Es besteht die Chance, daß Bonn zu einem Brückenkopf einer wehrhaften Demokratie wird. Man würde diese Chance jedoch in katastrophaler Weise verspielen, wenn man Deutschland auch weiterhin in einer Quarantäne halten wollte, auch wenn es sie reichlich verdient hat.“

USA

New York Times:

„Bonn bedeutet das Ende der Militärregierung und eine wesentliche Veränderung in den Beziehungen zwischen Bevölkerung und Besatzungsmacht. [...] Bonn stellt eine neuen Wende in der wechselvollen Geschichte Deutschlands dar und gibt dem deutschen Volke – vielleicht zum letzten Male – Gelegenheit, sich wieder in die Gemeinschaft der Völker einzugliedern.“

Frankreich

L'Aurore:

„Die Anwesenheit der drei Oberkommissare bei der konstituierenden Sitzung des deutschen Bundesparlaments war sehr symbolisch. Sie bedeutete, daß Westdeutschland seine staatliche Form nach dem Willen Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten erhält, jedoch weiterhin unter Vormundschaft bleibt – eine Vormundschaft, die gerechtfertigt ist durch Deutschlands Irrtümer und Verbrechen, von denen es schließlich nur losgesprochen werden kann, wenn es durch seine Taten beweist, daß es des Vertrauens der anderen zivilisierten und freien Nationen würdig ist.“

Dänemark

Politiken (Kopenhagen):

„Die politische Atmosphäre am Rhein machte nicht den Eindruck, daß sie einen idyllischen Anstrich erhalten wird. [...] Am ersten Tage des „Vierten Reiches“ offenbart sich, daß die Schlagworte der Parteien im letzten Wahlkampf – wirtschaftliche Gleichberechtigung und Demontagestop – zu den Hauptpunkten der staatspolitischen Arbeit der neuen Republik gemacht werden.“

Der Osten

Die sowjetamtliche Tägliche Rundschau (Berlin):

„Unter großem Wortgetöse trat das ,Westdeutsche Separatparlament‘ zusammen. Stillschweigend wurde das Besatzungsstatut in Kraft gesetzt. [...] Die Westmächte wollen sich mit dem Eingriffsrecht die Möglichkeit vorbehalten, Westdeutschland jederzeit in die Kriegsfront der Atlantikmächte zwingen zu können. [...] Damit hat sich die Besetzung Westdeutschlands durch die Streitkräfte der Westmächte in eine unberechtigte bewaffnete Intervention verwandelt.“

Gesammelt von G. Gruber

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen