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Junge Männer zum Mitreisen gesucht

■ Die „Flut“ kommt diesmal über eine alte Autoscooter-Rutsche / Bei dem vom Kulturzentrum Lagerhaus und Co. organisierten Breminale-Programmteil erreicht das Swing-Comeback den Osterdeich und werden auch Wunder wahr

Der Auto-Scooter auf der Kirmes war in einer bestimmten Lebensphase eine feste Größe. Da hingen Zwölfjährige ab, bevor sie zu pubertieren begannen. Den InitiatorInnen des „Flut“- bzw. „Fluter“-Festivals auf der Breminale war es langweilig geworden, wieder in einem dieser ebenso langweiligen Zelte zu veranstalten. Deshalb haben sie so ein Teil besorgt, an dessen Kassenhäuschen immer Zettel hingen, auf denen junge Männer zum Mitreisen gesucht wurden. Wo in vergangenen Zeiten zaghaft Hoffnungen pickliger Jungen und zahnspangenstarrender Mädchen auf ein aufregenderes, besseres Leben sprossen. Eine echte alte Scooterbahn. Und darin steht eben nun die Bühne, auf der bis zum Sonntag Interessantes stattfindet.

Am heutigen Donnerstag gibt es swingenden Jump'n'Jive und kühlen Jazz, wozu der niederländische, hart schwingende Insider-Tip „The Handsome Harry Company“ anreist. Swing in einem weiteren Sinne und auch ein wenig so, wie er in den Clubs von New York gerade Auferstehung feiert. Vorher gibt's ein Wiedersehen mit „Swim Two Birds“, die sich inzwischen um Gu verstärkt haben, der bereits seit einer ganzen Weile sehr gern auf Jazz-Sessions rappt. Musikalisch nahezu gleichzeitig in alle Richtungen expandierend, gehören die Herren um Achim Gätjen zu den ganz seltenen Perlen der deutschen Szene.

Morgen dann eher Rock und Roll, dabei ganz besonders zu berücksichtigen sicherlich „Steacknife“, die eine Weile als verblichen gelten durften. Lee Hollis, in Süddeutschland lebender amerikanischer Berufspunker, konnte aber anscheinend nicht ohne und rief die hart (punk-) rockenden „Steakknife“ wieder zusammen, weshalb sie nun wieder zu bestaunen sind. Am Freitag um 22.30 Uhr. Zum Eingrooven und Warmtrinken gibt es ab 18 Uhr Meister Proppers Kuriositätenkabinett sowie „Dionysos“ und die Roots-Rocker „Velvetone“.

Nach diesen eher bodenständigen Genüssen führen am Samstag „Teccone And Friends“ ihre „zeitkritischen Gedanken und Prosa in Form von Sprache und Gesang, untermalt von elektronischen und instrumentalen Klängen“ auf. Ein Didgeridoo, jazzige Gitarren und technoide bis ambiente Beats gegen die Schnellebigkeit unserer Zeit.

„Medicine Drum“, das Projekt des Australiers Chris Dekker, begnügt sich auch nicht mit dem Tanz, es muß mindestens Spiritualität, besser noch: Schamanismus dabei sein – tribalistische Rhythmen aus Indien und Fernost inklusive. Und wenn wir alles überstanden haben, gibt's noch „T.E.V.O.“, das Thomas-Ernst-Vertonungs-Orchester. Vertont allen Ernstes Techno.

Fünf Leute spielen auf Schlagzeug, Baß, Orgeln, Metallperkussion, Staubsaugern und anderem Zeug. Keine Sampler, Synthesizer, Sequencer. Und das Beste: Es funktioniert. Tanzen. Schweiß. Zwei Stunden lang. Wer Thomas Ernst ist? Ich habe nicht den blassesten.

Bleibt noch der Sonntag. Da wird's noch mal bunt. Eine Wing-Tsun-Vorführung, Klezmer mit der Gruppe „Kali Gari“, „Talago Buni“ mit Musik aus West-Sumatra, karibische Tanzmusik von „Mambo Inn“. Und damit bei aller Multikulti-Idylle nicht vergessen wird, wie die Welt wirklich aussieht, wird das Infomobil der Ausländerbeauftragten des Landes Bremen ab 14 Uhr bei Fuß stehen. Wir treffen uns dann, beim Scooter.

Andreas Schnell

Die genauen Termine entnehmen Sie bitte dem Programmteil weiter unten auf dieser Seite.

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