: Senatswahl: Schlappe für Perschau
■ Ende des Schmusekurses: Bei der Senatswahl kamen die CDUler Hartmut Perschau und Josef Hattig schlecht weg / SPDler sprechen von „absoluter Mehrheit“ / Grüne proben Opposition
Ganze zwei Stunden – dann war der parlamentarische Akt besiegelt: Die neuen Parlamentarier wählten gestern alle sieben SenatorInnen in ihre Ämter. Frisch vereidigt traf sich die Riege gleich zum Gruppenfoto am Rathaus – nach sechsstündiger konstituierender Parlamentssitzung und für viele von ihnen überraschenden Wahlergebnissen.
Unruhig war der designierte Bildungssenator Willi Lemke aber schon vor der Wahl. „Das dauert hier sehr“, verriet er im Parlamentsflur. Schließlich starteten die 100 neuen Parlamentarier schon um zehn Uhr – und wählten erstmal stundenlang Parlamentspräsidenten, Vizepräsidenten und Schriftführer. „Lange sitzen ist nicht mein Naturell“, sagt Lemke dazu, „lieber Anpacken und Zugreifen.“
Und das wird er wohl auch kräftig müssen (siehe oben): Schließlich kamen aus dem großkoalitionär-dominierten Parlament – 89 der 100 Plätze besetzen jetzt SPD- und CDUler neben zehn Grünen und einem DVUler – einige Gegenstimmen: Nur 79 stimmten für Lemke, allein 15 gegen ihn bei vier Enthaltungen.
Am meisten Gegenwind gab es jedoch für CDU-Finanzsenator Hartmut Perschau. Nur 71 sagten „Ja“ und 23 „Nein“ zu ihm bei vier Enthaltungen: Der CDU-Spitzenkandidat nahm das Ergebnis mit hochrotem Gesicht und kopfschüttelnd entgegen. Aber auch für CDU-Wirtschaftssenator Josef Hattig gab es einen Denkzettel aus dem eigenen Lager: Er bekam mit 74 Ja- bei 24 Nein-Stimmen samt zwei Enthaltungen das zweitschlechteste Senatoren-Ergebnis.
Unangefochten dagegen blieben Bürgermeister Henning Scherf (SPD) als wiedergewählter Senatspräsident mit satten 84 Ja-Stimmen – und die neuen SPD-SenatorInnen Tine Wischer (Bauen und Umwelt) und Hilde Adolf (Frauen, Jugend, Soziales und Arbeit) mit ähnlich hoher Zustimmung wie auch der neue CDU-Innen-, Kultur- und Sportsenator Bernt Schulte.
Schon vor der Senatorenwahl hatte SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen (neu gewählt) die SPD-Wahllinie angekündigt – und nur die von der SPD vorgeschlagenen Senatoren gelobt, die CDUler dagegen trotz großer Koalition schlicht nicht erwähnt. Ganz anders dagegen warb der frisch gekürte neue CDU-Fraktionschef Jens Eckhoff: Der rühmte ausführlichst alle drei CDU-“Garanten“, bauchpinselte aber auch die SPD-Kandidaten. Schließlich wolle man doch gemeinsam den „Versuch“ starten, vier harte Sanierungsjahre „zu überbrücken und bewältigen“.
Das mit dem zu erfüllenden Koalitionsvertrag sieht die SPD eigentlich genauso. Nur – so verrieten gestern im Übermut einige der um zehn Neue gewachsenen Fraktion: „Hier herrscht geschlossene Aufbruchstimmung“ – und zwar der Wunsch nach „absoluter Mehrheit im Jahr 2003“. Schon jetzt hätten es „ruhig noch ein paar SPD-Sitze mehr sein können“, so die neue SPD-Abgeordnete Arnold Cramer.
Dabei quetscht die große Koalition die Opposition schon jetzt bedrohlich ein: Die Grünen sitzen nun dezimiert und einsam eingezwängt in der Saalmitte. Trotz bissiger Wünsche („wir haben jetzt sitzmäßig die Form einer Zwiebel und die ist scharf“) fällt das Durchsetzen schwer (siehe unten). Da hilft auch kein DVU-Abgeordneter, der rechts außen in der letzten CDU-Reihe sitzt und von „wir“ in der „Opposition“ redet. Denn Siegfried Tittmann erntete gestern nur mitleidiges Lächeln. Katja Ubben
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