: Zuviel Himmel, zuviel Sonne
Vertrackter Genre-Mix: John Carpenters neuer Film „Vampire“ ist eigentlich ein Western. Die Guten kämpfen im Licht, doch dort sind die Bösen nicht ■ Von Niklaus Hablützel
Weit dehnt sich das Land, und der Himmel darüber ist riesig. John Carpenter, der Stilist des Schreckens, wollte sich einen alten Traum erfüllen. Endlich einmal wollte auch er einen richtigen Western drehen, in einer solchen Landschaft die Guten gegen die Bösen ausreiten lassen.
Möglicherweise lag es am Vorbild Howard Hawks, den Carpenter schon immer als Übervater dieses Genres verehrt hat, daß es ihm grandios mißlungen ist. Er wollte, aber er traute sich nicht, und so griff ausgerechnet er, der Meister des Genrefilms, zu einem überaus seltsamen Ausweichmanöver: Er drehte in der Landschaft des klassischen Western mit den Hauptrollen des klassischen Western einen Vampirfilm. Das eine Genre gehorcht nicht weniger strengen Gesetzen als das andere. Nur vertragen sie sich nicht miteinander. Carpenter hätte ebensogut Moby Dick in der Wüste Gobi drehen können.
Vampire nämlich halten dieses ungeheure Licht der glühenden Sonne über Neu-Mexiko nicht aus. Nur deswegen sind sie Vampire, wie natürlich auch Carpenter weiß. Selbst er kann deshalb den Showdown der Guten gegen die Bösen nicht herbeizwingen. Die einen leben im Licht, die anderen in der Nacht. An diesem Grundproblem laboriert der ganze Film herum. Mit einer gewagten Er-weiterung des klassischen Stoffs versucht Carpenter, es irgendwie zu lösen, aber mit der Lösung selbst verbohrt er sich nur weiter in den inneren Widerspruch des Projekts.
Carpenters Drehbuch läßt die Vampire auf halber Strecke stekkenbleiben, der Satansritus, der sie vor vielen hundert Jahren unsterblich machte, war damals unterbrochen worden. Er sollte bei Sonnenaufgang vollendet werden, damit sie auch bei Tage ausschwärmen dürfen. Nun sind sie weiter in die Dunkelheit verbannt und können auch hier nur bei künstlicher Unterbelichtung, in der Dämmerung der amerikanischen Nacht, aus der Erde Neu-Mexikos kriechen oder – blutiger Höhepunkt schon zu Beginn des Films – eine ganze Truppe von Vampirjägern auslöffeln, die sich nach getaner Arbeit im Wüstenpuff vergnügt – auch nachts natürlich, weit weg vom Westernhimmel.
Valek, der Obervampir jedoch, der sich aus Rumänien hierher verirrt hat, arbeitet immer noch an der Vollendung des Rituals, und James Woods muß es als Vampirjäger John Crow verhindern, obwohl es doch die Lösung des Problems von Carpenters Film wäre. Mehr als Hiebe und Poltern in einer alten Scheune kommt dabei nicht heraus, schließlich bricht das Dach ein, und in der Sonne verbrennt auch der Oberteufel zu einem hübschen Häufchen Asche wie zuvor schon ein gutes Dutzend anderer, häufig weiblicher Unterteufelinnen.
So vergeht die Zeit. Die Vampirjäger entern irgendeinen gottverlassenen Schuppen, rumoren darin herum, bis die Vampire wach werden, schießen ihnen einen Bolzen ins Herz und schleifen sie mit einer Seilwinde ans Licht. Dort fackeln sie sekundenschnell von selber ab. Das ist zu wenig für einen ordentlichen Vampirfilm – und leider auch nicht besonders viel für einen Western.
James Woods gibt sich Mühe, aber mehr als ein superharter Profi aus gebrochenem Kinderherzen darf er nicht sein. Vampire haben schon seine Eltern ausgesaugt, aber das sehen wir nicht. Ersatzweise inszeniert Carpenter gleich zwei Nebenhandlungen. Überall blitzt für Sekunden das Handwerk des Altmeisters hervor, aber es reicht nie, den Film über sein Grundproblem hinwegzutragen. Crows bester Freund und Jäger wird selbst von einem angebissenen Flittchen gebissen, in das er sich dabei verliebt, und Maximilian Schell darf einen falschen Kardinal spielen, der selber Vampir werden möchte.
Rechtzeitig vor der endgültigen schwarzen Messe, die Schell zelebriert, hat Woods aber seinen Assistenten auf die richtige Seite gezogen, und so scheitert die Erlösung der Vampire auch hier. Sie bleiben Nachtwesen, von deren schaurig schönem Leben im Kino schon so viel mehr zu sehen war.
„Vampire“. Regie: John Carpenter. Mit James Woods, Daniel Baldwin, Sheryll Lee, Maximilian Schell u. a. USA 1998, 107 Min.
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