: „Natürlich kannten die Polizisten Oliver Neß“
■ taz-Redakteur als Zeuge im PUA Polizei: Mißhandlung war Racheakt
„Haben Sie schon gesehen, daß ihre Freunde vom Einsatzzug Mitte da sind?“ begrüßte Polizeisoziologe Rüdiger Bredthauer den taz-Polizeireporter Kai von Appen auf dem Gänsemarkt. „Ja, und in Zivil sehen sie sogar ganz manierlich aus“, feixte der tazler zurück. Beide waren am 30. Mai 1994 zur Demo gegen den österreichischen Rechtsaußen Haider gekommen.
Kai von Appen kennt „seine Freunde“, die Beamten des Einsatzzuges. Genau wie umgekehrt. „Und Oliver Neß, mit dem ich jahrelang auf denselben Demos unterwegs war, ist den Polizisten genauso bekannt“, sagte von Appen am Dienstag abend vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß (PUA) Polizei aus.
Damit bestätigte der tazler eine Version, die die SPD-CDU-Mehrheit im PUA ungern hört: Die Beamten in Zivil wollten sich an dem kritischen Journalisten Oliver Neß rächen, schlugen ihn grundlos und brutal nieder, zogen ihm den Schuh aus und verdrehten seinen Fuß, bis es knackte. Die Mißhandlung selbst ist unstrittig, denn die polizeilichen Prügelszenen fanden vor laufenden Fernsehkameras statt. Dem CDU-Rechtsaußen und PUA-Vorsitzenden Ulrich Karpen liegt jedoch viel daran, das Motiv dieser Tat ins Reich der Mißverständnisse zu verweisen.
Kai von Appen bestätigte außerdem – wie schon andere Zeugen zuvor – daß es zwei Prügelszenen gegeben hat. Die Staatsanwaltschaft bestreitet das. Zuerst, so der tazler, wurde Oliver Neß von Zivilfahndern des Einsatzzuges Mitte umringt. „Ich sah, daß Olivers Kopf zurückflog, als ob er einen Schlag bekommen hätte.“ Als von Appen hinstürzte, um zu sehen, was passierte, hielt ein Mann – möglicherweise ein Zivilbeamter – ihn ab. Der aufgebrachte Hinweis, er sei taz-Reporter, brachte ihm nur die Bemerkung „noch schlimmer, diese liberalen Wichser“ ein. Von Appen versuchte daraufhin von der anderen Seite an Oliver Neß heranzukommen. Nun spielten sich gerade die Bilder ab, die später über die Medien bekannt wurden; Polizisten in Zivil und Uniform machten sich an dem hilflos auf dem Boden liegenden Neß zu schaffen.
Zusammen mit anderen Journalisten-Kollegen schrie der tazler die Polizisten an „Spinnt ihr, daß ist ein Kollege von mir, ein Journalist“ und rüttelte einen der Uniformierten am Arm. Auch vorher sei mehrfach „Hört auf, das ist ein Journalist!“ gerufen worden. Nun fragte einer der Polizisten, der auf Oliver Neß kniete, was denn gegen ihn vorliege. „Eigentlich nichts“, antwortete der andere. Und ließ Neß endlich los. Silke Mertins
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