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Was da wie welche Töne macht

■ Der Kanadier Gordon Monahan steuert auf Kampnagel mehr als 150 Geräuscherzeuger

Türkische Zimbeln hängen an einer Wäscheleine quer durch den Raum, in einer elektrischen Spule hin und her klickende Kolben klopfen leise, in der Ecke steht eine riesige, von einem Roboterarm gespielte Saite, und über allem schweben Donnerbleche: Insgesamt mehr als 150 Geräuscherzeuger steuert Gordon Monahan von einem Computer-Midi aus.

Dieses Pseudo Audio Orchester bietet ausnehmend faszinierende Klangwelten von feinster Percussion zu tröpfelndem Regen, vom Tropengewitter zu obertonreichem eisigen Blizzard. Dabei verwendet der seit 1992 in Berlin lebende Kanadier zwar neueste Computertechnik, was aber tönt, sind bis auf den Verstärker für die Gitarrensaite ausschließlich die natürlichen Sounds der Objekte. Das gibt es sonst nicht: digitale Klänge von Musikmaschinen ohne Lautsprecher, die die heutige Klangproduktion insgesamt hinterfragen. Denn wo der Lautsprecher elektronisch virtuelle Töne erzeugt, gibt es hier offensichtlich eine reale Musik in den Dingen schon ohne den Menschen.

Während aus Lautsprechern Musik kommt wie Strom aus der Steckdose oder Fleisch aus der Tiefkühltruhe, richtet Monahan sein Interesse weniger auf die traditionellen kompositorischen Fragestellungen, sondern auf die akustischen und phänomenologischen Eigenschaften des Klanges. Man könnte ihn als einen Klangkonstruktivisten bezeichnen, der mit den skulpturalen Aspekten von Akustik arbeitet.

Selbst was genau so aussieht wie ein großer Bühnen-Lautsprecher, ist ein vom 39jährigen Monahan gebauter Klangkörper namens „Ersatzspeaker“, ein Karton mit acht verschiedenen Klopfmaschinen im Inneren. Die paradoxe Performance, in der High-Tech benutzt wird, um Stühle zum Klappern zu bringen und der Kampnagel-Heizung Staccato-Klänge zu entlocken, ist eine Weiterentwicklung der Luxus-Musik, wie sie John Cage mit seinem präparierten Klavier und Joe Jones mit seinen mechanischen Klangmaschinen in den frühen 60er Jahren betrieben. Monahan hat zwar früher ebenfalls mit päpariertem Klavier gearbeitet, doch statt weiter zu untersuchen, wie sich der Klang des Konzertinstruments ändert, wandte er sich der Klangkompetenz der zwischen den Saiten eingebrachten Alltagsobjekte zu.

Während Cage am Ende seines Lebens in Opernhäusern auftrat, widmete sich Monahan dem Klang des Schrotts. Dabei ist Monahans Lärm-Musik heute als Addition von Sequenzen doch stärker durchkomponiert, nicht etwa Zufall, sondern wochenlange Arbeit.

Letztes Jahr stellte Monahan auf Kampnagel sein Projekt Speaker Swinging vor, bei dem er Lautsprecher so herumwirbelte, daß sich die Töne verzerrten. Seine Musik kann man als Konzert genießen, oder man kann der extra gefahrenen Lichtregie mit den Augen oder dem Körper folgen, um herauszubekommen, was da wie welche Töne macht. Vorausgesetzt, die Computer brechen nicht wegen Überlastung zusammen. Hajo Schiff

Kampnagel, Halle K4, 20.30 Uhr, bis 22. Dezember

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