Die versilberte Ex-Seele der Stadt

■ Die Hamburgische Landesbank wehrt sich mit Aktien gegen Bankräuber Von Florian Marten

Die Bombenteppiche der Aktion Gomorrha im Jahr 1943 überstand sie, der weltweite Börsen-Crash 1929 konnte ihr nichts anhaben und selbst die Flammen des großen Stadtbrandes 1842 züngelten vergeblich: „Die Bank, die silberne Seele der Stadt, und die Bücher, wo eingeschrieben jedweden Mannes Banko-Wert,“ so Heinrich Heine 1844 mit jubilierender Ironie, „gottlob! sie sind uns geblieben!“

Was dreimal schief ging, droht 1996 zu gelingen: Um das Milliardenloch im Stadthaushalt zu schließen, will der Senat sein bestes Stück, die Hamburgische Landesbank, (teil)verkaufen. Interessierte und gutbetuchte Bankräuber, darunter die Norddeutsche Landesbank in Hannover und, horribile dictu!, sogar die Bayerische Landesbank, haben bereits schriftliche Angebote abgegeben.

In der Hamburgischen Landesbank macht sich hinter der Fassade gepflegter äußerer Gelassenheit mittlerweile einige Sorge breit: Sollte die Bank einer konkurrierenden Landesbank in die Hände fallen – neben der Nord LB und den Bayern ist auch die immer gierige West LB im Gespräch – wäre es nicht nur mit der Hamburger Gemütlichkeit und dem einen oder anderen Arbeitsplatz vorbei. Die in großen Teilen sowieso stark fremdgesteuerte Hamburger Wirtschaft verlöre mit der Landesbank einen wichtigen Eckpfeiler eigenständiger ökonomischer Steuerung.

Daß der Senat 1996 sein Schatzkästlein unangetastet lassen wird, glaubt selbst bei den Bankoptimisten kaum jemand: Bei einem Loch von 1,5 bis 2 Milliarden Mark allein im Betriebshaushalt der Stadt wird der Auktionator-Hammer des städtischen Ausverkauf-Duos Ortwin Runde und Henning Voscherau auch die Bank nicht verschonen können. Schadensbegrenzung lautet deshalb das Motto der Landesbank-Lobby. Ihre Ziele: Kein Verkauf von mehr als 50 Prozent der Anteile (das wollen bislang auch Runde und Voscherau nicht), kein Großaktionär.

„Schon ein Anteilseigner mit 40 Prozent im Portefeuille würde unseren Stil und unsere Geschäftspolitik maßgeblich beeinflussen können“, jammert ein Insider. Das Gegenkonzept der Banker: Die Stadt soll die Landesbank an die Börse bringen und dann bis zu 40 Prozent der Aktien breit streuen.

Die Aktienkonstruktion hat aus Sicht der Bank vielfältigen Charme: Sie bliebe Herrin ihrer selbst und könnte durch den Zugang zum Aktienmarkt in Zukunft Kapitalerhöhungen auf lukrative und angenehmen Art vornehmen – durch die Ausgabe neuer Aktien. Einziges Manko: Hamburg müßte bei derartigen Aufstockungen des Eigenkapitals mitmachen, weil es sonst seinen Mehrheitseinfluß verlieren könnte. Andererseits ist die Landesbank seit Jahren durch ein zu geringes Eigenkapital gehandicapt, eine Kapitalerhöhung wäre überfällig.

Unter ihren Direktoren Hans Fahning (1973-1993) und Werner Schulz (seit 1993) erlebte die noch in den 60er Jahren zurückgebliebende Hamburgische Landesbank einen enormen Aufschwung, ohne jemals in jenen Spiel- und Geldrausch zu verfallen, der mittlerweile auch den Großteil der staatlichen Banker umtreibt: Mit einer Bilanzsumme von 85 Milliarden Mark (1995 um 12 Prozent gewachsen), 1400 abängig Beschäftigten (1995 30 neue Arbeitsplätze) und einem 1995 um 10 Prozent auf 300 Millionen Mark emporgeschnellten Gewinn zählt das mittelgroße Institut inzwischen zu den Schmuckstücken in der deutschen Bankenlandschaft. Mit überdurchschnittlichem Wachstum trotz überdurchschnittlicher Solidität und ausgesuchten Marktnischen (Schiffskredite, Immobilien) erreichte die Bank zuletzt allerbeste internationale Ratingergebnisse.

Verliert der Senat die Kontrolle über sein kapitales Schmuckstück, dann geht er auch seiner wichtigsten, freilich oft nur halblegalen Subventions-Kriegskasse verlustig: Landesbank-Kredite, durch Bürgschaften der Stadt abgesichert, gehören zum Ärger der EU-Kommissare seit jeher zu den schärfsten Waffen in der internationalen Subventionskonkurrenz. Schlimmer aber dürfte der Bruch einer jahrhundertealten Tradition sein.

Als die 1619 gegründete Hamburger Bank mit der „Mark banco“ das erste auf „Mark“ lautende Buchgeld schuf, legte sie nicht nur den Grundstein für die Stärke des Handels- und Finanzzentrums Hamburg, sondern schuf auch den Namen für die Einheitswährung des Deutschen Reichs.