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Für ein Askeseideal?

■ Hinweis auf die „Hamburger Frauen Zeitung“

„Zwischen Winterschlaf und Widerstand“ titelt die Dezembernummer der Hamburger Frauen Zeitung, die am kommenden Montag herauskommen wird. Ein Schwerpunktthema gibt es ausnahmsweise nicht; die Artikel oszillieren zwischen „Gewalt in der Ehe – § 19 Ausländergesetz“ und „Lesben in Thailand und Taiwan“.

Kurzer Rückblick: Unter dem Namen Lila Steine erschien die Zeitschrift 1976; als Hamburger Frauen Zeitung (HFZ) firmiert die älteste autonome Frauenzeitung Deutschlands seit 1981. Die Nullnummer war damals noch für 3,50 Mark als handgehefteter Kopienstapel zu haben. Seitdem fluktuierte die Zusammensetzung des Kollektivs immens, wobei an der inhaltlichen Ausrichtung als feministisches Zeitungsprojekt, trotz aller Auseinandersetzungen, bis heute festgehalten wurde.

Um die Frau in gesellschaftlichen Verwertungszusammenhängen aller Art geht es denn auch zumeist – zur Patriarchatskritik gesellt sich Konsum- und Kapitalismuskritik. Die Texte sind sorgfältig, selten schnodderig, fast immer im Stil geisteswissenschaftlicher Hausarbeiten geschrieben. Umfängliches Material wirkt sauber recherchiert und ist mit hübschen Fußnoten versehen. Konsequenterweise handeln sich die Schreiberinnen oft den Vorwurf des Akademismus ein – zu viele Fremdworte, zu viel Diskurs, zu wenig Konkretes.

Ein überholtes Konzept? Für den reinen Fun-Teil sind vielleicht andere zuständig. Die im Dezemberheft erscheinende Diskussion um „Kommerz – gut oder böse?“ beweist jedoch, daß die Entscheidung für oder gegen männlich besetzte Strategien niemals endgültig getroffen werden kann. Vom „Askeseideal“ solle Abschied genommen werden, fordert die Schreiberin aus dem Frauenbuchladen: „Starke Frauenstrukturen kosten etwas“ – ein „Marktplatz“ müsse her. „Solidarischer Konsum“ könne ihr „gestohlen bleiben“, kontert die Gegenseite; schließlich sei es noch lange kein feministisches Anliegen, Frauen zu „Gütern und Karriere“ zu verhelfen.

Die Kollektivas selbst werden mit ihrer Arbeit jedenfalls weder reich noch begütert. Die derzeit acht Zeitungsmacherinnen treffen einmal wöchentlich im Frauenbuchladen (Bismarckstraße 98) zusammen, um alle Texte gemeinsam zu besprechen. Auf diese Weise – und mit den obligatorischen Mammutsitzungen zu Redaktionsschluß – entstehen 2 000 HFZen im Vierteljahr für inzwischen sechs Mark. Da die Druckkosten schon wieder angezogen haben, steht eine weitere Preissteigerung ins Haus.

Noch ein Hinweis: Die nächste HFZ-Ausgabe wird sich im März 1996 um Frauen und neue Medien drehen. Autorinnen sind heiß ersehnt, gleiches gilt für Sach- und Geldspenden: Postgiro HH; BLZ 200 100 20; Kto. 4007 88-205.

Ulrike Winkelmann

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