: „Die Welt“ berichtet zweimal vom Hofe
■ Der Springer-Blatt kommt montags und nun auch donnerstags mit Bremer Lokalseiten / Journalistische Gründe sind nicht ausschlaggebend / Die Anzeigen-Preise sollen erhöht werden
Ohne große verlegerische Begründung hat das Flaggschiff des Springer-Konzerns, die Tageszeitung Die Welt, eine für den Verlag und für Bremen wichtige Entscheidung getroffen: Die lokalen Seiten, mit denen Die Welt einmal pro Woche ihre Attraktivität für bremische Leser und Anzeigenkunden erhöhen wollte, werden nicht eingestellt, sondern ausgebaut. Bisher immer montags, seit vergangener Woche auch donnerstags erscheint das Springer-Blatt mit einem Bremer Lokalteil. „Das zunehmende Vertrauen unserer Leser und unserer Anzeigenkunden hat diese Umstellung ermöglicht“, teilt der Verlag lapidar mit.
Diese Begründung erklärt aber eigentlich nichts. Die Zunahme der real verkauften Auflage hielt sich nach Einführung des Montag-Lokalteils 1997 so sehr in Grenzen, daß unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten die Einstellung des halbherzigen Experiments konsequenter gewesen wäre – oder der Sprung zu einer täglichen Lokal-Ausgabe, wie sie Die Welt in Hamburg und in Berlin produziert. Auch die Anzeigen-Einnahmen der lokalen Bremer Seiten waren aufgrund der geringen Preisstaffel nicht kostendeckend für den Aufwand der lokalen Redaktion. Aber der Springer-Konzern läßt sich Die Welt jedes Jahr zweistellige Millionen-Zuschüsse kosten, da kommt es offenbar auf die Rentabilität des Bremer Experiments nicht so sehr an.
Den Schritt zum „Zweimal-wöchentlich-Lokalteil“ geht das Springer-Blatt dabei aber mit minimalstem Aufwand. Mit Florian Hanauer gibt es gerade einen fest angestellten Redakteur, alles andere wird mit freien Mitarbeitern abgedeckt. Diese Personal-Struktur verspricht keine Kontinuität – von den vier „Gründern“ der Bremer Welt-Ausgabe sind drei in der Zwischenzeit abgesprungen. Auch das Layout der Bremer Seiten wird nicht, wie es technisch ohne großen Aufwand möglich wäre, am Bildschirm in Bremen gemacht, sondern in Hamburg. Das „kostet“ täglichen Koordinationsaufwand und Zeit: Redaktionsschluß für die Donnerstagsausgabe war am vergangenen Mittwoch schon gegen 15 Uhr. Die Texte für die Montagsausgabe müssen weitgehend schon freitags nach Hamburg übermittelt werden. Dort werden die Seiten zwischendurch fertig gemacht.
Im Gespräch ist zwar ein Umzug in größere Redaktionsräume. Dieser Schritt ist aber nicht vor der Ausweitung des lokalen Engagements passiert, was bei einer strategischen Planung auf der Hand gelegen hätte. Wie bei der Gründung des Bremer Lokalteils der Welt hat der Verlag auch diesmal kaum Werbung für sein zusätzliches Donnerstags-Produkt gemacht. Mit einem zweimaligen Leseangebot weckt das Blatt nun Leser-Erwartungen an eine lokale Berichterstattung, die es drei Mal in der Woche enttäuscht. Aufgrund des frühen Redaktionsschlusses ist die Welt aber auch donnerstags kaum konkurrenzfähig. Der Verlagsleitung, die die Ausweitung auf diesem geringsten Niveau betrieben hat, scheint es auch weniger um journalistische Ansprüche als um die für Anzeigenkunden vorzeigbare „verkaufte Auflage“ im norddeutschen Werbegebiet „Nielsen I“ zu gehen. Mit der „Montags-Ausgabe“ wollte der Welt-Verlag die für den Anzeigen-Preis relevante 100.000er Barriere überwinden. Da dies nicht gelang, soll nun eine zweite Lokalausgabe am Donnerstag nachhelfen. K.W.
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