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Die Weimarer Ausstellung hat keiner verdient

betr.: „Abbilder. Urbilder. Vorbilder.“, Schlagloch von Kerstin Decker, taz vom 7. 7. 99

Manchmal hat man das Gefühl, daß angesichts der total danebengegangenen Ausstellung „Aufstieg und Fall der Moderne“ in Weimar, die nicht verteidigt werden kann, die längst obsolete Diskussion der späten 50er Jahre wieder belebt werden sollte, als sich die Verfechter des „Abstrakten“ in Person des Intellektuellen Will Grohmann gegen die Anfeindungen des bewundernswerten „Realisten“-Malers Carl Hofer wehren mußten, als es nur ein „entweder oder“ gab und kein „sowohl als auch“. Man mag die Postmoderne schelten, aber wir leben längst – auch schon vor der Vereinigung der beiden Deutschlands – in einer Zeit des „Alles ist möglich“.

Wenn also Bernhard Heisig zum Zeugen einer Auseinandersetzung zwischen dem Abstrakten und den „Ohne Erklärung, ohne den Kommentar, der der Alter (!) ego (!) des abstrakten Kunstwerkes ist“ (?) ernannt wird (als sei je gegenständliche Malerei ohne Erklärung verständlich gewesen), so spiegelt sich hier die Diskussion von vorgestern, aber nicht eine Auseinandersetzung von heute. Diese wäre dringlich notwendig, um die „DDR-Künstler“ aus ihrem Schmollwinkel zu holen. In der politisch gewollten und von vielen Künstlern als bequem akzeptierten historischen Verspätung liegt der Hund begraben: Ablesbar am besten an den Akzeptanten dieser Sonderkunst der DDR. Warum lieben oder liebten zum Beispiel konservative Kunsthistoriker wie Eduard Beaucamp oder Sammler wie Peter Ludwig oder Künstler wie Günter Grass (bildnerisch auch nicht gerade Avantgarde) die Malerei aus der DDR so mit Inbrunst? Weil sie aus den Vorgaben der deutschen Kunst des ersten Drittels unseres Jahrhunderts zehren, mit unterschiedlicher Intensität, Begabung und Qualität. Weil jenen Malern und Bildhauern vorbildhaft war, was zum Beispiel deutsche Impressionisten wie Liebermann und Corinth, Otto Dix, aber auch Chaim Soutine und deutsche Expressionisten wie Schmidt-Rottluff und Beckmann, damals (zum Teil schon vor dem Ersten Weltkrieg) erarbeitet hatten. Weil sie sich an der internationalen Kunstdiskussion nicht beteiligten: an der Auseinandersetzung um den russischen Suprematismus, den niederländischen Konstruktivismus, die Behauptungen des Marcel Duchamp, die Malerei des amerikanischen Abstrakten Expressionisten, die Freiheiten des Fluxus, der Konzept-Kunst, der Visuellen Poesie, der Land-art, der Spurensicherung, nicht einmal des Fotorealismus usw., sondern weil sie auch freiwillig (mit wenigen Ausnahmen) darauf beharrten, eine eigene „nationale“ Kunst der DDR zu erarbeiten, die sich genauso stark nach Osten wie nach Westen absetzte. [...]

Die Kunst der DDR verharrte in Selbstgefälligkeit im Rückblick, ja gab sich reaktionär in des Wortes präzisester Bedeutung, wobei Probleme einzelner Künstler mit der noch kleinbürgerlich engstirnigen Führung dieses Staates nicht geleugnet werden sollen. Einige hielten es dann auch nicht länger aus und gingen: früh schon Graubner, Baselitz, Richter, später Penck und Vermittler wie Jürgen Schweinebraden, der resignierend die einzige freie Galerie in der DDR aufgab, um nur einige wenige zu nennen. Carl Friedrich Claus zog sich in die Privatheit und die daraus folgernde Armut zurück, mißachtet von vielen seiner jetzt weinerlich reagierenden Kollegen. Dennoch: Eine solche Ausstellung wie die in Weimar hat keiner verdient; sie stärkt nur das Gefühl, vom Westen gedemütigt und mißachtet zu werden. Statt dessen sollte die Diskussion sachlich, kunsthistorisch und offen geführt werden. Thomas Deecke, Neues Museum Weserburg, Bremen

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