■ Pampuchs Tagebuch: Ganz entspannt im Hier und Netz
Die Ratschläge des Herrn sind unergründlich, doch gerade uns Atheisten (oder sagen wir, inzwischen etwas gereift: Agnostikerlümmeln) kommen sie bisweilen wie gerufen. Meine persönliche Lieblingsreligion war lange Zeit der Buddhismus, der ja immerhin ohne Gott auskommt und dem damit gewissermaßen etwas Herrenloses eignet, was ja an sich schon eine schöne Sache ist. Gewiß, die buddhistische Losung „Alles Leben ist Leiden“, so zutreffend sie sein mag, hat manchmal doch etwas Deprimierendes. Da liebäugelt man doch gern mit dem fröhlichen Schweinsbraten-Katholizismus, der dann freilich auch über allerlei deprimierende Seiten verfügt. Was sonst noch für uns ewig Suchende so im Angebot ist, nun je, Weisheit läßt sich überall finden, dafür haben wir ja so viele Religionen. Und alle wollen sie uns irgendwie selig machen, mit Strafen oder Freuden, mit Sinnfindung oder Zuspruch, Verheißung hie, Drohung da, es ist schon eine rechte Mühe. Gerade wir Ungetauften, Unbeschnittenen, Uninitiierten, Unseligen eben stehen mitunter ja ganz schön ratlos im Sturm des Lebens. Kein „alter Gangster“, keine Kirche, keine Gemeinde, unter deren weite Röcke wir die Fliege machen können, wenn mal was brennt. Wir sind allein, ganz auf uns gestellt, und die Hölle, das sind die anderen, wenn nicht – schlimmer noch – wir selber.
Da freut es einen doch, wenn frohe Botschaft unseren verlorenen Seelen sogar über das Internet zuteil wird, uns tröstet und ermuntert. Eine alte Berliner Freundin, immerhin Pianistin, hat mich kürzlich auf Dae-Haeng Keun Sunim aus Korea aufmerksam gemacht, die unter www.hanmaum-zen.de ihre buddhistische Lehre verbreitet. Frau Keun Sunim, eine gemütlich aussehende, über 70jährige Dame und Zen-Meisterin steht dem von ihr gegründeten HanMaUm-Orden vor, der bereits über 200.000 Mitglieder hat. Auch in Deutschland gibt es Anhänger dieser Variante des koreanischen Zen-Buddhismus, und es könnten demnächst noch ein paar mehr werden: HanMaUm Seon Deutschland e. V. mit seiner feschen Website lädt nämlich für den 31. Juli zum Dharma-Teaching mit der Meisterin selbst in die Stadthalle Ratingen bei Düsseldorf ein. Es ist ihr erster öffentlicher Auftritt in Europa.
Nun liegt es mir fern (und ist auch nicht meines Amtes), Anhängerwerbung für HanMaUm zu treiben. Manche der Lehrsätze der alten Dame aber machen neugierig. Auch die Tatsache, daß die Meisterin in die doch weitgehend von Männern beherrschte Meisterklasse eingedrungen ist, nimmt für sie ein. Wenn ich es richtig begriffen habe, steht für Dae-Haeng Keun Sunim das Alltagsleben im Mittelpunkt, nicht das Sitzen in Meditation und das Studium der Schriften. „Wir selbst sind die Quelle der Wahrheit“ lehrt sie. Und ihre Pressesprecher bescheinigen ihr, daß sie „einen neuen Weg im Buddhismus beschritten und das Studium aus den Klöstern in unser Wohnzimmer gebracht“ habe. Da nämlich sitzen wir und können – wenn wir wollen – mit unserem „wahren Selbst“ in Kontakt treten: „Glück wird von uns selbst geschaffen. Es wird nicht von außen gegeben.“ Das klingt schon fast nach den kecken Worten der Internationale: „Es rettet uns kein höh'res Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun, uns aus dem Elend zu erlösen, das können wir nur selber tun.“
Eine Art Zen-Marxismus also? Wohl kaum, wäre auch ziemlich überflüssig. Aber immerhin mal wieder ein erfreulich diesseitiger religiöser Ansatz, der da aus dem Netz kommt: Der Himmel, das sind wir selber (oder gar die anderen). Diese Erleuchtung haben wir gerne.
Thomas Pampuch
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