Borussen sind einen Tick müder

Borussia Dortmund verliert im Halbfinale des ungeliebten DFB-Liga-Pokals mit 0:1 gegen Bayern München und ist darüber kaum böse    ■ Aus Augsburg Thomas Becker

Eigentlich passiert so was nur im Kino. Aber manchmal, an ganz besonderen Tagen, da klappt das auch im richtigen Leben: ganz fest dran denken, und schon passiert's. Jedenfalls ging im Augsburger Rosenaustadion beim zweiten Halbfinale des DFB-Liga-Pokals um 21.05 Uhr das Licht aus. War das schön. Besseres hätte dem Spiel gar nicht zustoßen können. In dieser Beleuchtung – einem beinahe geheimnisvollen Halbdunkel – hätte man alle Partien dieses Sommer-Cups austragen sollen.

Mehr als eine Stunde lang hatten sich die Fußballmannschaften aus Dortmund und München über den Rasen geschleppt und den 24.500 Zuschauern wenig Erhellendes geboten. Die Beine der Spieler sahen zwar aus wie immer, waren aber in Wirklichkeit ein paar Tonnen schwerer als zur Kernarbeitszeit während der Saison: Kilometerlange Ausdauerläufe und ungezählte Sprintwertungen steckten darin. Wer so zur Arbeit geht und dann auch noch Überstunden schieben muß, ist froh, wenn ihm keiner zuguckt. Warum also gibt es diesen Liga-Pokal, der zu einem Zeitpunkt ausgetragen wird, an dem in den Vereinen vor allem die Konditionstrainer das Sagen haben?

Zugegeben, eine eher rhetorische Frage. Trotzdem: Geben wir ihm eine Chance. Offiziell wurde der DFB-Liga-Pokal mit sechs teilnehmenden Mannschaften – Meister, Pokalsieger und die bestplazierten Bundesligateams – vor zwei Jahren eingeführt, zur Überbrückung der schlimmen fußball- und fernsehgeldlosen Zeit im Sommer. Der Sieger kassiert 2,5 Millionen Mark, jeder Teilnehmer bekommt mindestens eine halbe Million. Seit 1987 wurde zwischen Meister und Pokalsieger ein Supercup ausgespielt – ohne daß irgend jemand sich wirklich dafür interessiert hätte. Es war wie in der Bundesliga: Meistens gewann Bayern.

Egidius Braun, Deutschlands oberster Fußballer, sieht in dem Wettbewerb „eine interessante Standortbestimmung“ und stellt sich sogleich die gewichtige Frage: „Wie sind die Spieler über den Sommer gekommen?“ Braun (74) hatte wohl längst vergangene Zeiten im Sinn, als die Sommerpause tatsächlich noch länger als drei Wochen dauerte. Auch DFB-Vizepräsident Gerhard Mayer-Vorfelder bewertet „diesen Prolog zur Bundesliga“ äußerst positiv. „Im letzten Jahr wurde mit Nachdruck deutlich, daß sich der DFB-Liga-Pokal etabliert hat. Ich habe keinen Trainer und keinen Spieler gesehen, der den Wettbewerb nicht ernst genommen hätte.“

Wie soll er's denn auch sehen, der MV, ist er doch nicht so oft dabei, wenn die müden Profis direkt nach dem Spiel noch vor die Kamera müssen. Wer die Betroffenen nach dem Stellenwert des Turniers fragt, bekommt Antworten, die man beim DFB sicher nicht so gerne hört. Carsten Jancker zum Beispiel bläst nach dem 1:0-Sieg seines Teams in Augsburg nur die Backen auf und sagt: „Weiß ich doch nicht. Ich bin müde.“ Auch Kollege Heiko Herrlich zeigt sich ähnlich hoch motiviert: „Ich weiß nicht einmal, wer beim letzten Mal gewonnen hat.“ 20-Millionen-Mann Markus Babbel regt an, „den Zeitpunkt des Liga-Pokals zu überdenken“. Und ein trotz Auswechslung gutgelaunter Fredi Bobic findet reichlich Ausreden für den flauen Sommerkick: der Rasen zu stumpf, ließ kein schnelles Spiel zu, schwül war es auch noch, und überhaupt sei es kein Wunder, daß die Borussia „noch einen Tick müder“ war als die Bayern: „Wir haben schließlich schon ein Spiel mehr gemacht.“

Wenigstens die Trainer waren zufrieden. Ottmar Hitzfeld fand den per Eigentor errungenen Sieg „eminent wichtig für die Moral“, Michael Skibbe war froh, „daß das übers Fernsehen ganz engagiert rübergekommen ist“ – wenn das jetzt schon die einzigen Sorgen sind! Natürlich hätte Dortmunds Coach lieber gewonnen, aber eigentlich ist ihm das Vorbereitungsspiel gegen den SC Paderborn lieber als das Liga-Pokal-Finale gegen Werder Bremen. „Da kann ich viel mehr wechseln, ganz andere Spieler testen.“ Zugang Victor Ikpeba zum Beispiel, Afrikas Fußballer des Jahres. Gegen Bayern wurde der zwölf Millionen Mark teure Einkauf vom AS Monaco geschont: „Der ist das noch nicht gewohnt, daß wir zweimal am Tag trainieren“, erklärt Skibbe. In Frankreich gibt es schließlich auch keinen gewaltsam installierten Sommer-Cup.

Tja, und dann ging wieder das Licht an. Wie im Kino. Aus der Traum. Zwölf Minuten lang hatten der FCB und der BVB ohne Flutlicht einfach im Dunkeln weitergespielt, Christian Wörns nach Effenberg-Flanke sein erstes Tor im Borussen-Dreß erzielt, allerdings noch auf der falschen Seite – aber gestört hat sich an dem Kick im Finsteren und ungefähren niemand. Keine Proteste, kein Einspruch gegen die Wertung des Spiels. Ist ja auch nur Liga-Pokal.

FC Bayern München: Dreher - Matthäus - Babbel, Andersson (46. Wiesinger), Linke - Scholl (71. Basler), Effenberg, Fink, Salihamidzic (78. Tarnat) - Jancker, Sergio Borussia Dortmund: Lehmann - Wörns, Reuter, Kohler (25. Nijhuis), Dede - Ricken, Stevic, Reina, Barbarez - Bobic (46. Herrlich), But (74. Möller) Zuschauer: 24.500; Tore: 1:0 Wörns (66./Eigentor)