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Vom Affen gebissen

■ Wenn Lämmer zuviel blöken: Mit „Instinkt“ setzt Regisseur John Turteltaub auf tumbe Zivilisationskritik

Wenn der Film, das Chefmedium der Entfremdung, in Zivilisationskritik macht und dem Urmenschen nachtrauert, ist Obacht geboten. Erscheint das dann auch noch im Hollywood-Format auf dem Anthony-Hopkins-Label „Das Tier in dir“, beschleicht einen gar ein kulturelles Unbehagen. Dürfen die das? Nun, sie müssen sogar. Es liegt in der Natur der Lämmer, nicht schweigen zu können. Lämmer müssen blöken, so wie in George Orwells „Animal Farm“: „Vier Beine gut, zwei Beine schlecht.“ „Instinkt“ blökt auf höherem Abstraktionsniveau. Und ist dabei nicht mal Satire.

Hopkins ist Ethan Powell, ein Gorillaforscher, der seinen Forschungsobjekten ein wenig zu tief in die Augen gesehen hat, um die menschliche Gesellschaft noch ertragen zu können. Die hat ihn wieder, als er nach dem Mord an zwei Wilderern im Busch von Ruanda, in Handschellen und mit dem wilden Blick des „ganz anderen“, in ein amerikanisches Gefängnis überführt wird. Hier versucht der ehrgeizige Psychiater Caulder (Cuba Gooding jr.), der den Fall zu einem tollen Buch verwursten will, sein gewalttätiges Schweigen zu brechen. Als ihm das, allen Intrigen der Anstaltsleitung zum Trotz, gelingt, ist der spannende Teil schon vorüber. Mit Hohn, Spott und lehrerhaftem Pathos zieht Powell nun über die hohlen Ideale der modernen Zivilisation her und produziert dabei ökologisch wertvolle Phrasen wie: „Wir Menschen müssen die Vorherrschaft aufgeben, diesen Zwang, alles zu kontrollieren“. Gepriesen sei die Selbsterkenntnis! Sein faszinierter Schüler Caulder fühlt sich in einem falschen Leben ertappt, beweint seinen Zwang zur Selbstkontrolle und scheint sich doch eigentlich zu fragen, wieso er da nicht allein draufgekommen ist. Damit ist jeder Zweifel ausgeräumt: Powell, der Affenmensch, ist zur tieferen Wahrheit unseres Daseins vorgedrungen – Natur gut, Zivilisation schlecht.

Daß hier Themen von einiger philosophischer Tragweite so plattgemacht werden, liegt an der dramaturgischen Finte, mit der Regisseur Jon Turteltaub die literarische Vorlage, Daniel Quinns „Ishmael“, verzuckert. Wo ließen sich Fragen von Freiheit und Kontrolle, Macht und Widerstand, Weisheit und Wahn gefälliger verhandeln als im Psychotrakt einer Zuchtanstalt? Wo sich deformierte Menschen den Kopf an der Wand blutig schlagen oder sich um den Freigang prügeln. Diese vordergründige Anschaulichkeit soll offensichtlich das Mitdenken verbieten. Doch irgendwann im Laufe dieser glatt inszenierten Selbstanklage, wenn einen der Instinkt wieder hat, denkt man unweigerlichen an die vielen karrieregeilen Egomanen, ohne die ein solcher Film nie zustande käme. Derselbe Instinkt sagt einem dann auch, daß man die Geschichte der Menschheit nicht einem Regisseur überlassen sollte, der Werke wie „Trabbi goes to Hollywood“ zu verantworten hat. Welcher Instinkt allerdings Schauspieler vom Schlage Anthony Hopkins' oder Donald Sutherlands dazu treibt, aber auch jede Rolle anzunehmen, bleibt rätselhaft. Vielleicht ist es eher ein kategorischer Imperativ: „Lehne nie ein Angebot ab, um das irgendein anderer dich beneiden könnte.“ So kommt es zu bösen Gesellschaften. Und Filmen wie diesem. Philip Bühler ‚/B‘„Instinkt“. Regie: Jon Turteltaub. Mit Anthony Hopkins, Cuba Gooding jr., Donald Sutherland u. a.; USA 1999, 126 Min.

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