: Journalistenmeute wartet auf Tränen
■ Die Suche nach dem abgestürzten J. F. Kennedy wird immer hoffnungsloser. Während die US-amerikanischen Medien sich überschlagen, halten sich Trauerszenen nach Diana-Muster in Grenzen. Rätseln um Absturzursache
New York (dpa/rtr/taz) – Die Hoffnung, John F. Kennedy jr., den Sohn des 1963 ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy, nach dem Absturz seines Privatflugzeugs noch lebend zu finden, ist gestern auf den Nullpunkt gesunken. Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung ging zwar die Suche nach dem Wrack der verschwundenen Piper-Maschine weiter, die in der Nacht zum Samstag bei der Ferieninsel Martha's Vineyard aus dem Nachthimmel in den Atlantik gestürzt war. Doch es war keine Rettungsaktion mehr, sondern eine Bergung. Es galt als unmöglich, daß der 38jährige John F. Kennedy jr., seine Ehefrau Carolyn Bessette (33) und deren Schwester Lauren (35) bei einer Wassertemperatur um 20 Grad Celsius länger als 18 Stunden überleben konnten.
Taucher bereiteten sich darauf vor, in dem mutmaßlichen Absturzgebiet in 18 bis 24 Meter Tiefe nach Überresten der Piper zu suchen. „Wir glauben ziemlich genau zu wissen, wo sich der wahrscheinlichste Absturzort befindet“, sagte Brigadegeneral Richard Larrabee von der Küstenwache in einem Fernsehinterview. An der Suche nahm auch das Such- und Bergungsschiff „Grasp“ teil. Dieses Schiff war an der Suche nach den Opfern des TWA-Absturzes vor der Küste von Long Island mit mehr als 200 Toten beteiligt, der sich am Samstag zum dritten Mal jährte.
Glaubt man den Medien, ist ganz Amerika von dem Tod zutiefst erschüttert. In Szenen, die an die britische Reaktion auf den Tod von Prinzessin Diana erinnern, haben Hunderte von Menschen an seinem Haus Blumen, Kerzen und Gedichte hinterlassen. Allerdings waren vor der Tür zu jedem Zeitpunkt mehr Journalisten als normale Menschen anzutreffen, berichtete CNN.
Mit sichtlicher Trauer sprach US-Präsident Bill Clinton am Sonntag den Angehörigen sein Mitgefühl aus. Clinton würdigte bei einem Abendessen für den israelischen Premierminister Ehud Barak in Washington die Verdienste der Kennedy-Familie, „die so viel gelitten und uns noch mehr gegeben hat“.
Kritischer als in den USA wurde das Leben und Sterben Kennedys zum Teil im Ausland beurteilt. „Verrücktheit“, lautete die Titelschlagzeile des britischen Daily Mirror. „Kennedy hatte einen Todeswunsch“, überschrieb der Daily Mail seinen Artikel und sagte, Kennedys Tod sei auf eine „Mischung von Unvorsichtigkeit und Arroganz“ zurückzuführen. Die Zeitung, das populäre Hausblatt von New Labour, widmete drei volle Seiten dem Sexleben des Verunglückten.
Ähnlich, wenn auch im Ton milder, berichteten auch französische und italienische Blätter. „Er konnte nicht alt, krank, von Pflege umgeben im Bett sterben“, behauptete die italienische La Repubblica. „Das wäre nicht wie ein Kennedy gewesen.“ Platter titelte die kommunistische französische L'Humanité. „Die Kennedys – ein amerikanischer Alptraum.“
Die Piper Saratoga mit Kennedy jr. am Steuer, der erst seit einem Jahr einen Flugschein hatte, war am Freitag abend von New Jersey aus in Richtung Martha's Vineyard gestartet. Dort sollte Lauren Bessette abgesetzt werden. Kennedy und seine Frau wollten dann nach Hyannisport weiterfliegen, dem großen Familiensitz der Familie in Massachusetts. Dort wollten beide zur Hochzeit von Rory Kennedy, der Tochter des 1968 wie zuvor sein Bruder John von einem Attentäter ermordeten Senators Robert Kennedy. Die Zeremonie war unmittelbar nach Bekanntwerden des Verschwindens der Maschine am Samstag morgen abgesagt worden. Die Kennedys, die sich ursprünglich zur Hochzeitsfeier auf dem Familienanwesen versammelt hatten, verbrachten den Sonntag in völliger Zurückgezogenheit.
Nach Ansicht von Experten könnten mehrere Umstände zu dem Unglück geführt haben. Privatpiloten in aller Welt kennen und fürchten das Phänomen, das John Kennedy jr. möglicherweise zum Verhängnis wurde: Nebel an der Küste. Dann verschwimmt sehr schnell die Grenzlinie zwischen Wasser und Horizont zu einem einheitlichen kompakten Grau. Ein ungeübter Flieger ohne Instrumentenerfahrung wisse nicht, wie das Flugzeug zu halten sei. Wer in diesem Fall keine spezielle und teure Spezialausbildung für Flüge nach Instrumentenflugregeln (IFR) – den sogenannten Blindflug – absolviert hat und nicht über entsprechende Instrumentierung an Bord verfügt, verliert sehr schnell die Kontrolle über das Flugzeug. Der Orientierungsverlust geht einher mit einer vom Piloten meist kaum bemerkten Veränderung der Lage des Flugzeugs im Raum. In immer schnelleren und steileren Kurven geht es abwärts.
Obwohl erst eine eingehende Untersuchung aller Daten die exakte Unfallursache ermitteln kann, steht fest, daß sich Kennedy 20 Kilometer von der Piste auf Martha's Vineyard entfernt in rund 800 Meter Höhe per Funk zum Landeanflug auf den Flughafen gemeldet hat. Diese Phase stellt den sensibelsten Punkt eines Fluges dar, da der Pilot einen Teil seiner Aufmerksamkeit der Vorbereitung des Flugzeugs auf die Landung widmen muß.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen