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Freundlicher Mobilist

Der Wink mit dem Zündschlüssel: Uli Wohlers kommt vom Film, will zur Literatur. Und umgekehrt  ■ Von Frank Keil

Die Geschichte geht so: ein Mann des nachts auf der Autobahn. Wenig Verkehr, in den Adern schwappt der Kaffee, sorgt für ein sachtes Pendeln zwischen aufblendender Euphorie und bleierner Müdigkeit. Zwischendurch Bremslichter, Überholmanöver, Raststätten. Und immer wieder der Griff zum Diktiergerät, um die Geschichte weiterzuspinnen. Von einem blonden Jüngling aus Lüneburg, der wegen einer Drogengeschichte Hals über Kopf fliehen muß. Und der seiner gerade eroberten Liebsten verspricht, ihr bald ein Taxi zu schicken. Und sei es vom anderen Ende der Welt aus. Nach einem Fünf-Minuten-Blick. Wie das vorkommen soll in der Liebe.

Nicht alles – selbstverständlich – ist sogleich brauchbar. Nicht alles muß später abgetippt werden. Uli Wohlers ist ein Mann der Menge. Der erstmal Einfälle sammelt statt ein Konzept zu verfolgen. Der sich von seinen Helden überraschen läßt, von ihrer Harmoniesehnsucht; ihrem Drang, Gefahren zu meistern. Kein drechselnder Dichter ist hier am Werk, der im abgedunkelten Zimmer Schlieren in den Holzfuboden läuft, weil ihm partout das rechte Wort nicht einfallen will. Wohlers Helden sind das, was sie tun. Und so geht es weiter durch die Nächte, durch die Tage. Quer durch Nordeuropa.

Uli Wohlers ist Handwerker durch und durch. Einstiger Kulissenbauer und Requisiteur, später Aufnahmeleiter bei Fernsehproduktionen. Und einer, der sich nicht schämt, zu bekennen, daß er erstens diplomierter Sozialpädagoge ist und zweitens als emsiger Besucher von Creative-Writing-Kursen die Kunst des Ideenproduzierens erlernt hat. Zwei Lebensstationen, die man im Reiche der Hochkultur besser verschweigt oder nur als schwerste Jugendsünden bekennt.

So ist denn sein jüngster Krimi In jener Nacht... Unterhaltungsliteratur im besten Sinne. Man liest die Seiten weg, wie bei Tempo 120 der Unterboden rüttelt und die Landschaft als buntes Band am halboffenen Seitenfenster vorbeifliegt. Hastig, leichtfüßig, angenehm luftig. Dazu gesellt sich eine grundsolide Freundlichkeit der Welt gegenüber. Keine Wunden gibt es zu begutachten, kein Obduktionsbericht sorgt für unappetitliche Assoziationen. Selbst Herr Karhu, der finstere Finne aus der Abteilung Drogenhandel und Gegenspieler der illustren Gesellschaft aus Hippies, Flippies und irischen Taxifahrern, ist im Grunde seines Herzens ein netter Kerl. Ein Killer alter Schule, den nur eine seltsame Leidenschaft zuweilen von der Arbeit abhält: Wo immer es geht, legt er ein Feuerchen.

Einfach abhauen, unterwegs sein, um sich selbst zu vergewissern, so lautet die Botschaft. Nicht als esoterische Spielerei gedacht, als triefendes Bekenntnis zum Innehalten in der Bewegung; sondern ganz praktisch als Wink mit Zündschlüssel und Gaspedal.

So wie der in Hamburg geborene Autor selbst ständig auf Achse ist. Der in Lüneburg studierte, in Dublin ein Jahr lang sich dem Drehbuchschreiben widmete, auf Bornholm eine Art Arbeitsdomizil unterhält. Sonst noch in Paris, Kopenhagen, Stockholm anzutreffen. Klar, daß man da ein Auto braucht. Und daß das abfärbt.

Gedacht war der papierne Roadmovie für das schnellere Medium, den Film. Doch wo sich die Suche nach Produzent und Geldgebern zeitraubend hinzog, paßte der Stoff auch in den Umschlag eines Taschenbuches. Zunächst.

Zweigleisig will Wohlers auch in Zukunft fahren. Am kommenden Buch schreibt er seit zwei Jahren. Noch mehr Autos werden die Szenerie bevölkern, später abgelöst von Flugzeugen. Bei dem freundlichen Mobilisten sind aber auch gewisse Gegenbewegungen zu erkennen. Wenn alles gut geht, wird er noch dieses Jahr eine Drehbuchidee genauer ausspinnen. Wieder ist jemand unterwegs, wieder ist jemand nicht zu halten. Nur geht es diesmal mit dem Fahrrad auf die Flucht.

Uli Wohlers: „In jener Nacht...“, Wunderlich Verlag, 252 Seiten, 12 Mark

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