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Die jungen Männer und ihr Meer

Vermitteln ein anderes Kuba-Bild als Fidel Castro, Ernest Hemingway und Wim Wenders: Die kubanischen HipHopper Sin Palabras und Proyecto F bei den Heimatklängen im Tempodrom  ■   Von Andreas Becker

Schön ist's beim neuen Tempodrom. Die alten Postgebäude ums kleine Zelt herum ersetzen die häßlichen Baukräne und die kränkelnden Bäume auf dem alten Gelände, von denen man nach all den Jahren schon jeden Ast kannte.

Sin Palabras aus Kuba haben in dieser Woche die angenehme Aufgabe, allen Wim-Wenders-Gukkern ein etwas anderes Kubabild zu vermitteln. Der alte Mann hatte uns alte Männer und ihr Meer präsentiert, Sin Palabras und das Proyecto F repräsentieren das junge Havanna. Und da gibt es einen staatlichen Jugendclub in dem man jedes Wochenende einer kapitalistischen Ausgeburt frönt, die man politisch dadurch rechtfertigen kann, daß ihre Urspünge in den schwarzen Ghettos des US-Imperialismus liegen. Außerdem ist olle Maximo Leadsänger Castro mit seinen ellenlangen Reden, die auch deutsche Revolutionstouristen immer noch in Trance versetzen, der Ur-Rapper schlechthin. Revolution oder Tod. Oder etwa HipHop?

Der Mann, der den Kubanern HipHop als dritten Weg wies, war ein Franzose. Jean Claude Gué, ein Radio-DJ aus Lyon, kam vor sechs Jahren nach Kuba. Wie Wenders und Ry Cooder, war Gué fasziniert von der kubanischen Musik. Er versuchte nicht alte Götter wiederauferstehen zu lassen, sondern probierte es auf die postmoderne Tour: Sampling. Lazaro Ros oder Merceditas Valdes wanderten gemeinsam mit allerlei Percussion, Geklatsche und Konzertatmo auf die Festplatte. Und so hören wir uns im Tempodrom ausnahmsweise nicht selbst klatschen, sondern klatschen zu reproduziertem Klatschen aus Havanna. 1996 hatte der Franzose noch eine Idee: die sonst meist als Begleitung fungierenden Percussion-Instrumente in den Mittelpunkt einer Band zu stellen.

Gemeinsam mit dem Institut mit dem hübschen Namen „Center for the Investigation and Development of Cuban Music“, entwickelte er Sin Palabras, was so viel wie „kein Kommentar“ heißt (auch ein schöner Name für eine Band mit Gast-Rappern).

Weitere Zutaten bei den Konzerten sind die Rapper von Proyecto F. , Ollantay, Julio und Yordany, die nicht so wild mit den Armen fuchteln wie ihre nordamerikanischen Kollegen, sondern eher die smoothere Variante fahren. Ob die drei Herren irgendwie sexistisch sind oder vielleicht sogar Castro kritisieren, konnten wir, des Spanischen nicht mächtig, leider nicht eruieren. An Sound und Dichte sollte man aber noch arbeiten. Denn in der zweiten Konzerthälfte, ohne die Rapper, klang die Band geschlossener und wesentlich klarer. Da kamen plötzlich neben den nett verwirrenden Sampels auch die Anteile des Projekts zur Geltung, die bis jetzt noch unerwähnt blieben. Die stammen aus Afrika, haben etwas mit Göttern, Sklaverei und Roots zu tun. Und einem Kult: Santeria.

Mehr können wir nicht verraten (weil wir bis jetzt auch nicht mehr wissen). Wer an Kuba denkt und Salsa meint, der kann in dieser Woche getrost in seiner Tanzschule weiterkreiseln.

Fr–Sa, 21 Uhr 30, So 16 Uhr, Tempodrom am Ostbahnhof

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