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Soundcheck

■ Patricia Kaas

Gehört: Patricia Kaas. Alle Hamburger, die trotz Sommerferien in der Stadt weilen, hatten sich scheinbar am Sonnabend geschlossen vor dem Rathaus versammelt. Im Rahmen des Schleswig Holstein Musik Festivals war der komplette Rathausmarkt bestuhlt und umzäunt worden, innerhalb des Arenals gab es die obligatorischen Würste. Zum ersten Mal sollte die Bombast-Popperin Patricia Kaas hier in Begleitung eines Orchesters nebst ihrer Band aufspielen. Das perfekte Date für frisch Verliebte, die öhrchenschleckend neben den Stuhlreihen standen. Fortgeschrittene indes waren mit den Schwiegereltern da.

Das NDR Hannover Pops Orchestra bestritt die erste halbe Stunde mit klassischen „Hits“ vom „Boléro“ bis „Carmen“, die man prima Fernsehwerbespots für Autos bis Kaffeelikör zuordnen konnte. Alles nur Vorspiel, bewaffnet mit Laugenbrezeln, Bier und Wein begann nach der Pause der eigentliche Liebesakt.

Da erschien sie auf der Bühne: die hagere Diva im bauchfreien schwarzen Nietenensemble, die Tochter einer Saarländerin und eines Lothringers, die jedes ihrer französisch klingenden Worte so hingebungsvoll rauchig haucht. „Zum ersten Mal spiele isch mit klassischem Orchester und Band. Ein bißchen aufgeregt bin ich wohl. Aber ich fühl es gut, ihr seid gut.“ Verständnisvolles Lachen, Applaus, hier verehren sie alle. Bei jedem Song geht dieses erkennende Blitzen durch die Gesichter, derweil fiedeln Geigen in der Dämmerung, und die orientalischen Lampen am Bühnenhimmel baumeln im Wind.

Vor dem altehrwürdigen Rathaus geraten rund 7000 Hanseaten, von Kind bis Greis, komplett aus dem Häuschen. Und die Kaas läßt sich gerne feiern. Im Hochzeitskleid zelebriert sie den Titelsong der neuen CD Le mot de passe, und nach einem erneuten Kostümwechsel wagt sie sich an den Nachlaß einer wirklich großen Chanteuse: Barbaras „L'aigle noir“ kann sie mit ihrem Spektrum aus Hauch und Blues nicht gerecht werden. Doch das stört hier niemanden – wo die Liebe eben hinfällt.

Stefanie Heim

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