Press-Schlag
: Niedergehämmert

■ Jeder blamiert sich, so gut er kann: Der DFB beim 0:4 gegen Brasilien sehr gut

Lange Zeit war es ein ganz normales Länderspiel. Deutschland spielte in Mexiko gegen Brasilien, und es war überhaupt nicht so schreckenerregend, wie alle befürchtet hatten. Höchstens für die 70.000 Zuschauer im Jalisco-Stadion von Guadalajara, die das wenig ambitionierte Treiben der beiden renommierten Mannschaften zur Halbzeit mit heftigen Buhrufen bedachten. Das deutsche Team trat zunächst so auf, wie es gegen den aktuellen Vize-Weltmeister in der Vergangenheit meist aufgetreten war. Leicht unterlegen, aber mit etwas Glück in der Lage, vielleicht ein Unentschieden, mit sehr viel Glück einen knappen Sieg herauszuholen. Es gab gute Ansätze im Angriff, vor allem von Scholl, Wosz und Preetz, in der Abwehr standen Wörns, Linke und Heinrich halbwegs sicher. Am Ende entwickelte sich das Eröffnungsmatch des Confederations-Cups für das DFB-Team dann aber doch noch zu einem Debakel historischen Ausmaßes. Die Leistung beim Fußball bemißt sich in Toren, und ein 0:4 spricht eine deutliche Sprache. Die höchste Niederlage seit dem 3:8 gegen Ungarn im Jahre 1954, die vierthöchste in der Geschichte des Verbandes überhaupt. Da interessiert es keinen mehr, daß es bis vier Minuten vor Schluß bloß 0:2 stand, was ein äußerst akzeptables Resultat gewesen wäre.

„Wenn wir schlecht aussehen, werden wir nach Entschuldigungen suchen, die es auch gibt“, hatte DFB-Teamchef Erich Ribbeck vorsorglich angekündigt und ließ nach der Schlappe vom Samstag Taten folgen. „Ich bedaure, daß wir gegen die Brasilianer mit schlechterer Vorbereitung spielen mußten.“ Gegen die brasilianische B-Mannschaft, genauer gesagt, denn Wanderley Luxemburgo, der Trainer des frischgebackenen Südamerikameisters, hatte das Fehlen einiger Stammspieler auf deutscher Seite dadurch mehr als kompensiert, daß er Weltstars wie Ronaldo, Rivaldo, Amoroso oder Roberto Carlos nach der Copa América in Urlaub schickte. Nicht zu leugnen ist, daß die deutschen Spieler mitten in der Saisonvorbereitung stecken, während die Brasilianer seit Wochen gemeinsam trainieren und ein schweres Turnier hinter sich gebracht haben. Hätten sie verloren, und wären sie wie die Deutschen, würden sie wahrscheinlich sagen, daß ihnen nach diesen Strapazen die Frische fehlte.

„Der entscheidende Grund war, daß die Kraft nachgelassen hat“, behauptete Deutschlands frischgekürter Fußballer des Jahres, Lothar Matthäus, doch das war nur die halbe Wahrheit. Viel entscheidender war, daß Brasilien nach der Einwechslung der 21jährigen Stürmer Warley und Alex in der 61. Minute viel besser spielte und die schon vorher vorhandenen Räume erheblich zielstrebiger nutzte. An allen vier Toren waren die beiden Ersatzleute beteiligt.

„Ich hoffe, daß ich den Spielern klarmachen kann, daß das 0:4 nicht den wahren Kräfteverhältnissen entspricht“, sagte Ribbeck nach dem Spiel, doch das hörte sich stark nach Wunschdenken an. Es ist beileibe kein Zufall, daß man sich die Rekordniederlage der letzten vier Dekaden gerade jetzt einhandelte und sich Ribbeck noch glücklich schätzen darf, daß sie wenigstens gegen Brasilien und nicht im Februar gegen die USA zustandekam, wo es bei einem gnädigen 0:3 blieb. Spiele zu ungünstigen Zeitpunkten hat es auch früher gegeben, heute jedoch hat die Mannschaft selbst bei optimaler Fitneß Probleme, ihren fünften Platz in der Fifa-Weltrangliste durch entsprechende Leistungen zu untermauern. Sind die Spieler nicht fit, wird es gegen jeden Kontrahenten gefährlich, möglicherweise auch gegen die nächsten Gruppengegner beim Confederations-Cup, Neuseeland und USA, deren Treffen die Amerikaner am Samstag mit 2:1 gewannen. „Früher haben wir uns nie so abschlachten lassen“, sagte Lothar Matthäus nach dem „Hammer-Resultat“. Da habe man „immer noch das Ergebnis in Grenzen gehalten.“

Fragt sich natürlich, ob man die wacklige Befindlichkeit des deutschen Fußballs der Welt so drastisch unter die Nase reiben muß. Doch wenn es dem Wohle der immer groteskeren WM-Bewerbung 2006 dient, schreckt der DFB offenbar vor keiner Blamage zurück.

Matti Lieske

Brasilien: Dida – Evanilson, João Carlos, Odvan, Serginho – Flavio Conceicao (61. Alex), Emerson, Vampeta, Zé Roberto (82. Beto) – Ronaldinho, Christian (61. Warley) Deutschland: Lehmann – Wörns, Matthäus, Linke – Ricken, Ballack, Wosz, Heinrich (74. Maul) – Neuville (79. Gerber), Preetz (71. Marschall), Scholl Zuschauer: 70.000; Tore: 1:0 Zé Roberto (62.), 2:0 Ronaldinho (72./Foulelfmeter), 3:0 Alex (86.), 4:0 Alex (88.)