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■ Was Reiche für ihr Land tun können: Vermögensteuer zahlenEhre für die Mutter aller Steuern

Nicht mal in den USA. Nicht mal im Land der flachen Steuern und der rabiaten Steuergegner ist es gelungen, die Vermögensteuer abzuschaffen. Und so schnell würde in den Staaten auch niemand auf die Idee kommen. Denn die Steuer aufs Vermögen ist eine Selbstverständlichkeit, sie ist die „Mutter aller Steuern“: Ohne sie würden Kommunen und Länder allergrößte Schwierigkeiten haben, Schulen zu finanzieren oder Straßen zu bauen. Hierzulande ist das nicht anders. Neun Milliarden Mark fehlen jährlich im Steuersäckel, weil man seit 1997 auf den finanziellen Beitrag jener verzichtet, die über beträchtliches, nicht selten siebenstelliges Vermögen verfügen. Zur Erinnerung: Es gibt zwar vergleichsweise wenige Unternehmer in diesem Land – aber reichlich Millionäre. Über 155.000 waren es 1995, fast doppelt so viele wie zum Amtsantritt Helmut Kohls.

Im selben Jahr durften die Millionäre – man kommt nicht umhin, es so klischeehaft zu sagen – die Champagnerkorken knallen lassen. Denn das Bundesverfassungsgericht äußerte sich in einem Urteil zur Vermögensteuer nicht bloß, es erklärte sie praktisch für grundgesetzwidrig. Die anmaßende Entscheidung hatte damals im Kreise der Roten Roben selbst Protest hervorgerufen: Der Steuergesetzgeber, argumentierte der Richter Wolfgang Böckenförde in einem Minderheitenvotum gegen die Abschaffung der Vermögensteuer, „wird damit [...] gegenüber der Eigendynamik kumulierenden Kapitals von vorneherein zur Machtlosigkeit verurteilt“. Auf Deutsch: Das Parlament wird zum Büttel der Wirtschaft und der Geldbesitzer, wenn man ihm sein wichtigstes Recht entzieht. Das der Steuererhebung nämlich.

Der amtierenden Regierung, allen voran Bundeskanzler Gerhard Schröder, paßt die aufkeimende Debatte über die Vermögensteuer verständlicherweise nicht. Die Botschaft des Sommers 1999 soll lauten: Der Staat senkt die Steuern! Und nicht etwa: Schröder will den Reichen ans Portemonnaie. Schröders taktisches Ungemach in allen Ehren, muß man ihn dennoch an seinen wichtigsten Auftraggeber erinnern: die Neue Mitte. Die hatte ihn unter anderem gewählt, weil es für Schröder schlicht Steuergerechtigkeit war, daß „auch die sehr Wohlhabenden zur Finanzierung staatlicher Ausgaben beitragen sollen“. Mittelständler, innovative Akademiker, Unternehmensgründer erinnern sich gut, daß sie der Kanzler in spe fragte, was sie für ihr Land tun können. Sie werden darauf pochen, daß den sehr Wohlhabenden diese Frage ebenfalls gestellt wird. Christian Füller

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