: Müller will doch schneller abschalten
■ Konzept des Wirtschaftsministers sieht vor, bis 2002 ein erstes AKW vom Netz zu nehmen. Schily will Geld für Castor-Schutz
Berlin (taz) – Eine neue Variante für den Atomausstieg hat offenbar das Wirtschaftsministerium vorbereitet. Dort erwägt man nach einer Meldung des Spiegel, nun doch mindestens einen Atommeiler noch in dieser Legislaturperiode stillzulegen. Als „idealer Abschaltkandidat“ käme demnach das AKW Brunsbüttel an der Elbe in Betracht, weil es mit 800 Megawatt Leistung zu den Kleineren gehört und bereits 23 Jahre alt ist.
Den betroffenen Konzernen möchte Wirtschaftsminister Werner Müller dem Magazin zufolge die vorgezogene Abschaltung durch eine interne Entschädigung schmackhaft machen. Demnach sollen die betroffenen Energieversorger von den anderen Konzernen um ein Drittel verbilligten Strom zum Ausgleich für ihre abgeschalteten Meiler beziehen.
Bislang hält der Wirtschaftsminister an Restlaufzeiten von 35 Jahren fest. Damit blieben rein rechnerisch während dieser Legislaturperiode (bis 2002) alle AKWs am Netz. Die Grünen verlangen aber eine Restlaufzeit von unter 30 Jahren und die ersten Stillegungen noch vor 2002. Die vorgezogene Abschaltung könnte eine Kompromißlinie sein. Immerhin hat der grüne Fraktionschef Rezzo Schlauch bereits angedeutet, daß es ihm auf die Restlaufzeit nicht so ankäme, wenn vor 2002 einige AKWs vom Netz gingen.
Dafür könnten von anderer Seite weitere Kosten auf die Stromkonzerne zurollen: Innenminister Otto Schily (SPD) deutete an, künftig die Kosten für den Einsatz des Bundesgrenzschutzes (BGS) zur Sicherung von Castor-Transporten abwälzen zu wollen. „Es kann sein, daß wir das der Bahn extra in Rechnung stellen“, sagte er dem Spiegel. „Sie könnte dann der Atomwirtschaft sagen, die Castor-Transporte kosten entsprechend mehr“. Polizei und Grenzschützer zusammengenommen, kostete der letzte große Castor-Transport nach Gorleben im März 1997 gut 111 Millionen Mark. Der BGS hat großen Anteil daran. Bislang blieb die niedersächsische Regierung auf allen Kosten sitzen.
Umweltminister Jürgen Trittin schließt vorerst einen neuen Castor-Transport aus. Zwar seien einige AKWs kurz vor dem Ende ihrer Lagerplätze, er könne jedoch „betriebswirtschaftlichen Belangen keinen Vorrang vor dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung geben“, sagte Trittin der Märkischen Allgemeinen aus Potsdam. Seine Vorgängerin Angela Merkel (CDU) hatte im 1998 die Transporte gestoppt, nachdem erheblichen Überschreitungen der Grenzwerte für strahlende Partikel auf der Castoroberfläche gemessen worden waren. urb
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