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Drei Sozis auf dem Strom

Eine neue Fährverbindung in der Elbmündung zwischen Brunsbüttel und Cuxhaven soll vor allem LKWs von der Straße holen  ■ Von Sven-Michael Veit

Sie heißen „Jochen Steffen“, „Wilhelm Kaisen“ und „Hinrich Wilhelm Kopf“, sind frisch rot-weiß lackiert und starten übermorgen in ein neues Kapitel der norddeutschen Transport-Schiffahrt. Von Sonntag an sollen die drei Fährschiffe der Reederei Elbe-Ferry in Norddeutschland Schwerlastverkehr von der Straße abziehen. Zwischen Cuxhaven auf der niedersächsischen und Brunsbüttel auf der schleswig-holsteinischen Seite der Elbmündung werden sie pendeln, den Laderaum voller Lastkraftwagen.

Natürlich läßt Reeder Egon Harms auch Busse, PKWs, Zweiräder und Fußgänger auf seine Schiffe; die LKWs aber sind die Hauptklientel, die für schwarze Zahlen sorgen soll. Harms rechnet mit 30.000 Lastzügen pro Jahr, die künftig den Umweg durch den Hamburger Elbtunnel verschmähen: „Die Fahrer sparen Zeit und Strecke und können auf unserer schwimmenden Raststätte ihre vorgeschriebenen Ruhepausen einlegen.“ Deshalb verfügen die Schiffe über eine spezielle Lounge sowie Wasch- und Duschräume für die Trucker.

Am vorigen Sonnabend wurden die Fähren feierlich auf die Namen ehemaliger norddeutscher SPD-Spitzen- politiker getauft. Der „rote Jochen“ Steffen hatte bis in die 70er Jahre hinein die schleswig-holsteinischen Sozis stramm auf linkem Kurs gehalten; Kaisen und Kopf waren Regierungschefs in Bremen und Niedersachsen. Das sei „eine Referenz an die Macher der Nachkriegsgeneration“, sagt Harms, dessen Bremer Autotransportfirma zu den größten in Europa zählt.

Zusammen mit dem Cuxhavener Bauunternehmer Johannes Voss hat er 1998 die Reederei gegründet und etwa 20 Millionen Mark investiert. Die drei 40 Jahre alten Fähren kaufte Harms in Dänemark, wo sie nach der Freigabe der Brücke über den Großen Belt vor einem Jahr überflüssig geworden waren. Sie wurden nicht nur umgebaut und frisch angestrichen, sondern vor allem auch für einen Einsatz auf der Elbe selbst bei stürmischem Nordost und bei hartem Eisgang umgerüstet, denn sie sollen das ganze Jahr hindurch fahren.

Kompagnon Johannes Voss sorgte für den Bau eines neuen Anlegers in Brunsbüttel. Der alte nämlich ist, anders als der Cuxhavener, nicht mehr zu gebrauchen. Im Juni 1981 war dessen Hubbrücke durch einen Bedienungsfehler lahmgelegt worden; die seit der Jahrhundertwende bestehende Fährverbindung war seitdem eingestellt, denn niemand wollte die Reparatur bezahlen. Bis jetzt, 18 Jahre später, Harms und Voss kamen.

Ob die Schiffslinie den Verkehr im Ballungsraum Hamburg entlastet, muß sich allerdings erst noch erweisen. Nach Ansicht des Staatssekretärs im schleswig-holsteinischen Verkehrsministerium, Bernd Rohwer, würden die Fähren die Situation im Unterelberaum und an der Westküste deutlich verbessern. Die Wiederaufnahme des Fährbetriebs sei „sinnvoll“.

Auch Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Glogowski (SPD) begrüßt die neue Fährverbindung als „wirtschaftliche Chance“ für den norddeutschen Raum. Die Verkehrsachse von Dänemark in die Niederlande und ins Ruhrgebiet entlang der Westküste über Cuxhaven und Bremen könnte eine deutliche Aufwertung erfahren. Nicht von ungefähr wirbt Elbe-Ferry genau damit auf ihrer Homepage im Internet (siehe Abbildung).

Skeptiker bezweifeln jedoch nachdrücklich, daß die drei betagten Schiffe eine Alternative zur Verlängerung der Ostseeautobahn A20 sein werden. Deren Fortführung von Lübeck nordwestlich um Hamburg herum inklusive einer Elbquerung per Tunnel oder Brücke wird seit Jahren heftig diskutiert.

Zusätzlicher Druck entsteht durch den wachsenden Skandinavien-Verkehr. Die Sundbrücke zwischen Malmö in Schweden und der dänischen Hauptstadt Kopenhagen soll im nächsten Sommer freigegeben werden; die innerdänische Belt-Brücke zwischen den Inseln Seeland und Fünen ist bereits seit Juli 98 in Betrieb und machte die jahrzehntealte Fährverbindung überflüssig.

Drei der dort ausgemusterten Fähren schippern nun als norddeutsche Sozis über die Elbe.

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