: Der VfB ist theoretisch Weltklasse
taz testet die Liga (II): Ralf Rangnicks VfB Stuttgart wird trotz oder wegen 4-4-2 und „ballorientierter Raumdeckung“ nichts mit dem Abstieg zu tun haben ■ Von Nina Klöckner
Stuttgart (taz) – Beim letzten Vorbereitungsturnier vor dem Bundesliga-Start wirkte der VfB Stuttgart noch ziemlich müde. In Heidenheim verloren die Stuttgarter am Samstag 1:2 gegen Bayer Leverkusen und belegten nach dem 3:0 gegen den Gastgeber aus der Verbandsliga den dritten Platz. Aber nächster Woche in der zweiten Runde des DFB-Pokals soll alles schon ganz anders aussehen.
Wird Fußball gespielt? Das kann man noch nicht so genau sagen. Das 4-4-2-System mit „ballorientierter Raumdeckung“ wurde ja schon in der Rückrunde der vergangenen Saison eingeführt. Da wirkte das Ganze meistens ziemlich verkrampft. Am Schluss spielte der VfB sogar gegen den Abstieg. Am Ende war man Bundesliga-Elfter (9 Siege,12 Remis, 13 Niederlagen).
Wie funktioniert das 4-4-2? In der Abwehr steht die so genannte Viererkette (4), mit zwei Innen- und zwei Außenverteidigern. Den Libero gibt es nicht mehr. Kann sein, dass für Thomas Berthold trotzdem kein Platz mehr ist. Die vier Mittelfeldspieler (4) verteilen sich rautenförmig. Zvonimir Soldo soll vor der Abwehr aufräumen. Krassimir Balakov ist der kreative Kopf hinter den Spitzen. Gemeinsam mit den beiden Flügelspielern soll er die beiden Stürmer (2) bedienen. Ziel ist es, bei Ballbesitz des Gegners am Ort des Geschehens immer in Überzahl zu sein, um so den Aufbau zu verhindern. Im Spiel nach vorne sind den Ideen keine Grenzen gesetzt.
Wer hilft? Der neue Trainer Ralf Rangnick dem ehemaligen Nationalspieler Sean Dundee. Der Südafrikaner mit deutschem Pass und der magischen Anziehungskraft auf Frauen (ist das wirklich so? D. Red.), erhält beim VfB seine letzte Chance. Bei Dundees erstem Auftritt für seinen neuen Arbeitgeber hat aber nicht nur der Trainer gesehen, dass der Stürmer noch „ein paar Kilo zu viel hat“. Die müssen erst einmal runter.
Wer stört? Zur Zeit nicht einmal Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder. Dafür die vier aussortierten Spieler. Martin Spanring, Mitko Stojkovski, Srgan Zaharievski und Sasa Markovic möchte Rangnick gerne loswerden. Im Moment sieht es aber so aus, als ob er auf allen Vieren sitzen bleibt. Zaharievski ist sich zu fein, ein Probetraining zu absolvieren, weil er immerhin makedonischer Nationalspieler ist. Markovic hat sich von Aris Saloniki testen lassen und sich dabei besonders geschickt angestellt. In einem Freundschaftsspiel flog er nach 9 Minuten vom Platz. Seitdem trainiert der Jugoslawe mit den Amateuren des VfB.
Taugt der Trainer? Dass er theoretisch weiß, wie Fußball gespielt wird, hat Ralf Rangnick schon im vergangenen Dezember bewiesen. Im „aktuellen sport-studio“ erklärte er der Nation an einer Magnettafel das System der „ballorientierten Raumdeckung“. In der zweiten Liga hat er schon bewiesen, dass er es auch in die Praxis umsetzen kann. Jetzt warten alle gespannt, ob es auch in der obersten Spielklasse klappt. Rangnicks Vorteil: Er wird mehr Zeit bekommen als seine Vorgänger. Denn noch einen Trainerwechsel kann sich Präsident Mayer-Vorfelder im Moment nicht erlauben.
Taugt der Torwart? Klares Ja. Franz Wohlfahrt taugt. Fragt sich nur, wozu. Keiner weiß, wie er die 14 Gegentore in den zwei EM-Qualifikationsspielen der österreichischen Mannschaft verkraftet hat. Deswegen hat ihm Rangnick mit Achim Hollerieth vorsichtshalber den „besten Torwart der zweiten Liga“ zur Seite gestellt.
Was tun die Neuen? Abnehmen oder fleißig Deutsch lernen. Und natürlich noch ein bisschen mehr. Heiko Gerber holte sich eine Portion Frust bei der Mexiko-Reise der Nationalmannschaft. Der Rumäne Ioan Ganea, der Tscheche Pavel Kuka, der Brasilianer Didi und Dundee prügeln sich um die zwei freien Plätze im Sturm. Marcelo Bordon und Jens Todt versuchen mit wechselndem Erfolg die Viererkette zu organisieren.
Wie schießt man Tore? Das offensive Spiel soll wieder etwas mehr auf die Flügel verlagert werden, damit Krassimir Balakov in der Mitte mehr Platz hat. Entscheidend wird auch in diesem Jahr sein, wie es um die Spiellaune des Bulgaren bestellt ist.
Wer ist der Beste? Die Beste ist die Dolmetscherin Petra Zimmermann. Sie sorgt dafür, dass auch alle Brasilianer und Rumänen mit der „ballorientierten Raumdeckung“ etwas anfangen können.
Was folgt aus diesen Erkenntnissen? Der VfB wird in diesem Jahr trotz oder wegen der „ballorientierten Raumdeckung“ nichts mit dem Abstieg zu tun haben.
Der gefühlte Tabellenplatz: Auf jeden Fall besser als im vergangenen Jahr. Da nicht einmal mehr der Präsident von einem Tabellenplatz redet, der zur Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb berechtigt, könnte dem VfB ein ziemlich ruhiges und erholsames Jahr bevorstehen.
Folge: Wenig Ärger, Platz 6.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen