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Höchste Zeit, dass SPD aus Tiefschlaf erwacht

betr.: „Neuer Oskar für Gerhard Schröder!“, taz vom 29. 7. 99

Als überzeugte Sozialdemokratin habe ich (wie viele andere auch) schon lange darauf gewartet, dass endlich wieder eine sozialdemokratische Persönlichkeit den Mut hat zu sagen, dass es so nicht weiter geht! Höchste Zeit, dass die SPD aus ihrem Tiefschlaf erwacht! Lange genug wurde alles hingenommen, ohne dass etwas geschah.

Jetzt kann die Parteibasis mit grossen Teilen der Bevölkerung hoffen, dass zumindest diskutiert wird, bevor irgendwelche Grundsätze von oben festgeklopft werden, die mit sozialdemokratischen Grundsätzen nicht mehr viel zu tun haben! Eine gute Gelegenheit, auch klar zu machen, dass die rot-grüne Koalition in der kurzen Zeit nicht wieder alles aufrichten kann, was 16 Jahre lang verbockt und gegen die Wand gefahren wurde! Aber diesbezügliche innovative Ansätze sollten schon zu erkennen sein!

Es kann nicht sein, dass die neue Regierung (aus lauter Industriefreundlichkeit) im selben Kielwasser schippert wie die abgewählte, nur unter anderem Namen. Darin liegt meines Erachtens auch die Ursache für die letzten Wahlergebnisse.

Viele Wahlversprechen wurden von der amtierenden Koalition ja eingehalten; aber einige eben auch nicht, wie beispielsweise die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die der saarländische Ministerpräsident in seinem Brief an Gerhard Schröder fordert. Dass jetzt schon wieder nur bei denen gespart werden soll, die ohnehin immer zur Kasse gebeten werden, ohne die Milliardäre ebenfalls am Sparpaket zu beteiligen, ist eine soziale Ungerechtigkeit, die so nicht bleiben kann. Darauf wurde mit Wahlboykott reagiert!

Dass der Vorsitzende der SPD Saar mit seiner Forderung nicht nur auf Zustimmung stößt, war klar. Umso mehr braucht er jetzt Unterstützung; denn er hat mit seiner (konstruktiven) Kritik ein sichtbares Zeichen des Vertrauens und der Glaubwürdigkeit gesetzt, mit dem ein (lange fälliger) Ruck durch alle Bereiche der Gesellschaft ging! Die Mehrheit der Bevölkerung kann nun dazu beitragen, dass sozialdemokratische Werte erhalten bleiben!

Denn gerade die eingeforderte soziale Gerechtigkeit ist ein wesentlicher Bestandteil des Grundsatzprogramms der SPD. Deshalb sollte die Bevölkerung öffentlich von ihrem Recht der Mitbestimmung Gebrauch machen und sich ebenfalls öffentlich dazu äußern! Wir alle müssen den Mut haben, endlich mehr Demokratie zu leben!

Immanuel Kant hat schon darauf hingewiesen, daß Demokratie keine natürliche Sache ist, sondern täglich neu erkämpft werden muß. Sie ist folglich auch keine Angelegenheit von einzelnen, sondern wir alle sind gefordert, uns daran zu beteiligen. Hinzu kommt, dass gerade die vielfältigen Meinungen und Diskussionen diese große Volkspartei erst mit Leben füllen! Wo diese freie Meinungsbildung unterbunden wird, ist konstruktives Miteinander nicht mehr möglich. Wer sich mit den Zusammenhängen des Lebens befaßt, weiss, dass alles miteinander verwoben ist und nur Ganzheitsdenken (zu dem Diskussionen unbedingt dazu gehören) in der Lage ist, nachhaltig und lebenserhaltend für kommende Generationen zu entscheiden – ganz im Sinne der schon in Rio beschlossenen Lokalen Agenda 21, die unter großer Beteiligung der Bevölkerung umzusetzen ist.

Vor allem sollten wir Frauen uns vermehrt in diese Diskussion und sonstige politische Entscheidungen einmischen!

Marlies Krämer, Sulzbach/Saar

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