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Ost-Kaufhof setzt auf die Gerichte

■  Das Ostberliner Warenhaus am Alex will trotz der Androhung von Bußgeldern und Zwangsschließung weiterhin sonntags alle Artikel als „Berlin Souvenir“ anbieten

Mit großer Spannung darf in Berlin der kommende Sonntag erwartet werden. Wird es wieder einen Ansturm von Tausenden Kaufwütigen auf Ostberlins größtes Warenhaus, den Kaufhof am Alexanderplatz, geben oder wird es zwangsgeschlossen? Nachdem der Berliner Senat kürzlich eine Regelung verabschiedet hat, nach der Innenstadtgeschäfte am Wochenende bis 19 Uhr „Touristen- und Freizeitbedarf“ verkaufen dürfen, geht erneut ein Riss durch die Stadt. Während die meisten Geschäfte am Potsdamer Platz und auch das KaDeWe den lieben Gott am Sonntag einen guten Mann sein ließen, sorgte der Kaufhof für Furore, weil er vom Tampon bis zur Waschmaschine alles zu „Berlin Souvenirs“ erklärte.

Kaufhof-Geschäftsführer Günter Biere sieht sich in seinem Vorstoß trotz der harten Kritik der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen und der angedrohten Buß- und Zwangsgelder durch die große Resonanz bestätigt. 50.000 Menschen hatten den Kaufhof unter starkem Beifall um 12 Uhr regelrecht gestürmt. Zwar war es nicht ganz so schlimm wie beim Kaufhof in Halle, wo zeitweise die Rolltreppen versagten, aber Biere konnte gestern stolz verkünden, dass der Umsatz bis 17 Uhr um 15 Prozent höher lag als an einem Werktag mit elf Stunden.

Von der Androhung des Landesamtes für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit (LaGetSi) eines Zwangsgeldes von 50.000 Mark ließ sich der Kaufhof nicht beeindrucken, legte vorsorglich aber bereits am Samstag Widerspruch ein. Heute nun wird die Strafe fällig. Das LaGetSi wird in den nächsten Tagen „unvoreingenommen“ einen Widerspruchsbescheid erlassen. Wie der aussehen wird, war gestern schon klar: „Das ist ein nie dagewesener eklatanter Rechtsbruch“, sagte der Behördensprecher. Der Kaufhof könnte dann vor das Verwaltungsgericht ziehen.

Ebenfalls ein Fall für die Gerichte ist der Widerspruch des Kaufhofs gegen ein Teegeschäft, das dem Warenhaus per einstweilige Verfügung untersagt hatte, Tee außerhalb der allgemeinen Ladenöffnungszeiten zu verkaufen. Der Stand war am Sonntag zugedeckt. Kürzlich hatte das Verwaltungsgericht die Zwangsschließung eines Tabakladens am Potsdamer Platz, der eigenmächtig sonntags geöffnet hatte, für rechtswidrig erklärt.

Der vom Kaufhof angekündigte „Flächenbrand“ im Berliner Handel zeigt sich derzeit nur als einsames Lagerfeuer. Eine KaDeWe-Sprecherin sagte gestern, dass ohne entsprechende gesetzliche Regelung weiterhin sonntags geschlossen bleibe, weil die Arbeitszeiten für das gesamte Jahr bereits mit dem Betriebsrat abgestimmt seien. „Wir wünschen uns mit dem Kaufhof, das Ladenschlussgesetz gänzlich abzuschaffen“, hieß es aber. Im Kaufhaus Lafayette in der Friedrichstraße scheint man derzeit andere Probleme zu haben. Da der Geschäftsführer im Urlaub ist und dessen Stellvertreter kaum Deutsch kann, war gestern keine Stellungnahme zu bekommen. B. Bollwahn de Paez Casanova

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