: Das schwarze Netz der Reichen
■ Auch in Afrika boomt das Geschäft mit dem Internet. Aber die Zugangsgebühren sind höher als in Europa oder in den USA. Nur die Eliten können sich das Surfen leisten
on dem eiskalt klimatisierten Büro im elften Stock des Alpha-Turms in Abidjan aus betrachtet ist das Internet in Afrika eine Erfolgsgeschichte. Marcial Nogbou, Chef des Providers „Africa online“ (www.Africa Online.com), hat in den vergangenen drei Jahren fast 3.000 Abonnements an die Elfenbeinküste verkauft. „Der Zuwachs im Internetgeschäft in Afrika ist sehr gut“, frohlockt der in Frankreich ausgebildete junge Geschäftsmann, „alles geht viel schneller als in Europa und den USA“.
Viele Stockwerke tiefer, im Gewühl der feuchtheißen Straße, ist das „réseau des réseaux“ bis heute ein Fremdwort geblieben. Auf den Trottoirs rund um den Alpha-Turm im Zentrum der westafrikanischen Stadt bieten HändlerInnen zwar elektronische Armbanduhren aus Taiwan neben afrikanischen Masken zum Kauf. Aber schon Französisch sprechen viele von ihnen nur annäherungsweise. Von Englisch, das auch bei „Africa online“ die Netzkommunikation bestimmt, ganz zu schweigen. In der Elfenbeinküste, wo 60 verschiedene Ethnien leben, die Dutzende von Sprachen sprechen, ist die verbreitetste Sprache das „Petit Ivoirien“ – eine in den Jahrzehnten der Kolonie entstandene Mischung aus afrikanischen Sprachen mit Französisch. Verstehen können das „Petit Ivoirien“ nur Eingeweihte. Geschrieben wird es nirgends. Ganz abgesehen davon, dass über 40 Prozent der EinwohnerInnen des Landes weder lesen noch schreiben können.
Neben diesem Manko stehen die mangelnde telefonische Erschließung des Landes (ganze 200.000 Anschlüsse kommen auf 15 Millionen EinwohnerInnen) und das niedrige Einkommensniveau dem Fortkommen des Internets im Weg. In der Elfenbeinküste liegt der monatliche Mindestlohn bei 47.000 CFA (etwa 140 Mark).
Für die ungezählt vielen städtischen Arbeitslosen und die BewohnerInnen des agrarischen Hinterlandes ist der Mindestlohn eine traumhaft hohe Summe. Aber auch damit bleibt das Netz ein unerschwinglicher Luxus: Bei „Africa online“ kostet schon die Anmeldung 10.000 CFA (also knapp ein Viertel des Mindestlohnes) und jeden Monat werden Gebühren von weiteren 10.000 CFA fällig. Das Surfen in dem Niedriglohnland Elfenbeinküste ist damit entschieden teurer als in Europa und den USA. „Unsere Kunden sind vor allem Geschäftsleute“, erklärt Marcial Nogbou und schaut aus seinem Büro im Alpha-Turm mit Blick auf die Bucht und die Industriezone von Abidjan, „diese Leute erwarten von uns einen Service rund um die Uhr. Sie wollen keine telefonischen Beratung, sondern Kundenbesuche. Dafür müssen sie zahlen.“
Sein Unternehmen ist ein grenzüberschreitendes afrikanisches Geschäft mit Zweigstellen in inzwischen sechs afrikanischen Ländern (Elfenbeinküste, Ghana, Kenia, Tansania, Swasiland, Simbabwe). Gegründet wurde es 1996 von drei jungen Kenianern, die in den USA studiert hatten. Auch das Kapital kam ursprünglich aus den USA. Die Expansion in den frankophonen afrikanischen Raum kam erst später hinzu. Doch noch vor Ende dieses Jahres will sich „Africa online“ in Senegal ein zweites frankophones Standbein schaffen. Auch Zweigstellen in Nigeria und Uganda sind geplant.
In der Elfenbeinküste hat „Africa online“ die Gewinngrenze überschritten. Neben afrikanischen und ausländischen Geschäftsleuten und BankerInnen hat es zahlreiche regierungsunabhängige Organisationen vor Ort sowie die ausländischen politischen Vertretungen vernetzt. Die Homepage bietet neben Werbung internationaler Unternehmen und Chat-Räumen vor allem Börsennachrichten und Verweise zu den wichtigsten Zeitungen des Landes. SurferInnen, die Informationen über die Elfenbeinküste suchen, landen deswegen unweigerlich bei „Africa online“. Allerdings erreichen sie dort auch schnell wieder die Landesgrenzen. Ivorische Homepages sind noch selten und in den ivorischen Chat-Rooms ist das einzige, dafür leidenschaftlich diskutierte Thema die nationale Politik – gegenwärtig vor allem der Klüngel im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr. Für gesellschaftliche Themen verweist der Webmaster ins Ausland – jedoch nicht nur nach Europa und in die USA, sondern auch zu den afrikanischen Nachbarländern. Denn in Afrika, wo das Internet mit Ausnahme von Libyen inzwischen überall zugänglich ist, haben sich auch außerhalb der am stärksten vernetzten Länder, Ägypten und Südafrika, heftige elektronische Aktivitäten entwickelt. Im kleinen Ghana hat der Internetboom zur Eröffnung von 240 so genannten Telecentern geführt, in denen die KundInnen gegen hohe Zeitgebühren surfen können. In Abidjan ist Vergleichbares geplant.
Die Regierung der Elfenbeinküste, die bis 1990 ein autoritäres prowestliches Einparteiensystem hatte, lässt die Provider schalten und walten, wie sie wollen, versichert Marcial Nogbou: „Bei uns kann jeder alles sagen. Es gibt keine Zensur.“ Neben zahlreichen Jubelartikeln auf Staatspräsident Henri Konan Bédié, der sich gegenwärtig um seine eigene Amtsnachfolge bewirbt, und einer so genannten „humanitären Homepage“ der Präsidentengattin lässt „America online“ auch oppositionelle Meinungen in Zeitungen und in seinen Chat-Rooms zu Wort kommen. Das aber sei „ein ungefährlicher Pluralismus“, munkeln JournalistInnen, denen selbst in ihren Redaktionsstuben keine Computer zur Verfügung stehen, „das Internet kann sich in der Elfenbeinküste eh kaum jemand leisten.“ Dorothea Hahn
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