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DaimlerChrysler nur noch Nummer 2 in Europa

■ Volvo bekommt den Zuschlag bei Scania. VW hat das Nachsehen. Den schwedischen Zusammenschluss bei den Nutzwagen kann nur noch die EU-Kommission stoppen

Stockholm (taz) – DaimlerChrysler und Volvo-Scania teilen sich künftig die Spitzenpositionen auf dem Markt der LKW- und Busproduzenten. Der deutsch-amerikanische Konzern bleibt zwar weltweit die Nummer 1, muss die Führungsposition in Europa aber an die beiden schwedischen Unternehmen abgeben, die am Freitag bekannt gaben, dass sie sich zu einem gemeinsamen Konzern zusammenschließen wollen.

Volvo hatte sich schon im Januar mit einem Aktienpaket von 13 Prozent bei Scania eingekauft. Jetzt übernimmt der Konzern für umgerechnet zwischen 13,5 und 14,2 Milliarden Mark alle Anteile des bisherigen Scania-Hauptaktionärs Investor und hält damit 49,3 Prozent am Kapital und 69,9 Prozent der Stimmrechte. Zugleich unterbreitete Volvo ein öffentliches Kaufangebot für alle ausstehenden Scania-Aktien in Höhe von 315 Kronen oder 5 Volvo-Papieren – das liegt über dem aktuellen Börsenkurs, der am Freitagmittag 245 Kronen betrug.

Von der Zusammenlegung erhoffen sich beide Konzerne längerfristig Einsparungen in Höhe von jährlich 890 Millionen bis 1,11 Milliarden Mark durch Rationalisierungen und gemeinsame Komponentenfertigung.

Sie kann allerdings erst dann endgültig zustande kommen, wenn die EU-Wettbewerbskommission zugestimmt hat. Und dabei könnte es Probleme geben: Volvo-Scania hätte auf dem Heimatmarkt Schweden einen Marktanteil von mehr als 90 Prozent und würde auch die Märkte in Finnland, Dänemark und Irland mit einem Anteil von jeweils mehr als 50 Prozent dominieren.

Scania war in den letzten Monaten einer der am meisten umworbenen Hersteller in der Nutzwagenbranche. Neben DaimlerChrysler hatte sich lange auch die Volkswagen AG interessiert gezeigt, die zunächst auch der Wunschpartner der Geschäftsspitze gewesen war. Den Ausschlag dafür, dass Scania sich schließlich doch für Volvo entschied, hat wohl ganz einfach das Geld gegeben: Die Göteborger waren bereit, einen wesentlich höheren Preis zu zahlen – die Wolfsburger hatten 20 Prozent weniger geboten.

Scania gilt in der Branche als besonders innovativ und technisch solide. Trotzdem hat das Unternehmen chronische Probleme damit, die Gewinnerwartungen seiner Großaktionäre zu erfüllen. Analysten erwarten nun, dass Volvo versuchen wird, die Scania-Produktion weitgehend zu rationalisieren und – bei formal getrennt weiterlebenden Warenmarken – so viel wie möglich am Modellangebot auf der Basis gemeinsamer Komponenten zu produzieren.

Branchenkenner glauben, dass das auf mittlere Sicht die Vernichtung von weiteren Arbeitsplätzen beim einstigen Standbein der schwedischen Wirtschaft, der bis auf die LKW-Produktion sich mittlerweile fest in US-Hand befindlichen Autoindustrie, bedeutet.

Auch bei Scania hatte man bisher eher vor den negativen Folgen einer Übernahme gewarnt: Die bisherige Konkurrenzsituation, bei der zwei starke schwedische Marken eine technische Spitzenstellung einnehmen, gehe verloren. Es werde schwer, die Besonderheiten der beiden Marken auch in der Außendarstellung aufrechtzuerhalten. Die Volvo-Konzernleitung dagegen setzt darauf, dass die beiden LKW-Riesen nach dem Zusammenschluss schlagkräftiger und konkurrenzfähiger werden und einen größeren Marktanteil erobern können. Analysten bestätigen sie in dieser Einschätzung: Wenn sie auch auf mittlere Sicht gegenüber DaimlerChrysler bestehen wollten, hätten weder Volvo noch Scania eine andere Wahl, als sich Partner zu suchen. Und warum nicht sich gegenseitig?

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