: „Wir brauchen mehr Brote“
■ Der Fernfahrer Jürgen Rostan verpflegt täglich 10.000 Kosovaren
Jürgen Rostan (43) isst heute nichts. Der Mann hat keine Zeit. Er sitzt noch um zehn Uhr abends in seinem kleinen Büro in der Kosovo-Stadt Pec und muß dafür sorgen, dass 10.000 andere essen können. Sein Satelitentelefon ist ständig belegt, vor seiner Tür warten Menschen, die Arbeit suchen.
Jürgen Rostan ist der Chef einer großen Feldküche des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), die bis in die entlegensten Dörfer der Region täglich warmes Essen verteilt. Die Geschwindigkeit und Effektivität, mit der er eine Großküche auf die Beine stellte, hat ihm sogar Respekt bei der Nato eingebracht. Immer wieder erkundigen sich KFOR-Offiziere bei Rostan, wie man so etwas macht. Dabei ist Rostan weder Manager noch Koch. Er ist Fernfahrer und kommt aus Ludwigsburg. Dort ist er einfaches Mitglied im Kreisverband des Roten Kreuzes. Aber das DRK kennt seine Qualitäten und hat ihn zum Chef der Kosovo-Delegation ernannt.
„Wir helfen beiden Seiten“, sagt er und macht sich damit bei den Albanern nicht unbedingt beliebt. Täglich lässt er Brot in das serbisch-orthodoxe Kloster von Pec schaffen, ebenso in das serbische Dorf Gorazdevac, wo, von italienischen KFOR-Truppen beschützt, mehrere hundert Serben wie Gefangene leben. Weil von seinen albanischen Fahrern aus Angst keiner dorthin fährt, macht Rostan auch noch den Chauffeur.
„Wir brauchen mehr Brote“, baten die Serben diese Woche. „Ich bring sie euch“, sagte Rostan und war eine Stunde später schon wieder da. „Wenn ich etwas verspreche, halte ich es.“ Sie nennen ihn in Pec nur den „German“ – den Deutschen, weil sie seine Zuverlässigkeit für eine typisch deutsche Tugend halten.
Morgens um fünf Uhr beginnt sein Team – 29 Albaner und vier Deutsche – mit der Arbeit: Kartoffeln schälen, Kraut putzen und Dosen mit Hühnchenfleisch öffnen. An den vier Herdstellen stehen Albaner, alle gelernte Köche: Einer kochte früher im Gefängnis von Pec, ein anderer in einem Edelrestaurant in der Schweiz. Sie sind Meister im Improvisieren und kochen an sieben Tagen aus denselben Zutaten sieben verschiedene Mahlzeiten. Der Einzige, der dabei abnimmt, ist Rostan selbst. Von seinen 120 Kilo hat er in den wenigen Wochen schon 5 durch den Stress verloren. Dabei will er in Pec ausharren bis nächstes Jahr im April. Philipp Maußhardt
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