Brüder mit Einfluss kc, tkv 1022

Die Kunsthalle widmet den Malern Günther, Martin und Jacob Gensler eine Ausstellung  ■  Von Hajo Schiff

Viele Künstler sind auch Theoretiker, kuratieren Ausstellungen und betreiben Galerien, publizieren als Kunstkritiker oder sammeln selbst. Das scheint eine typische Entwicklung in der heutigen medien- und marktorientierten Gesellschaft. Doch so neu ist das nicht: Schwerlich werden Künstler heute einen so großen Einfluss auf ihre Stadt ausüben wie die Brüder Gensler im vorigen Jahrhundert auf Hamburg. „Kunstgeschichte und Kulturgeschichte unserer Stadt sind ohne sie nicht zu denken“, schreibt Direktor Uwe M. Schneede im kleinen, aufschlussreichen Katalog der Ausstellung, die die Kunsthalle den drei Brüdern widmet.

Im Lebenslauf dieser Söhne einer Hamburger Handwerkerfamilie spiegelt sich die Entwicklung eines ganzen Jahrhunderts von der französischen Besetzung zum Kaiserreich, von klassischer Italiensehnsucht zur romantischen Entdeckung des deutschen Mittelalters, vom vernichtenden Hamburger Brand 1842 bis zur Einweihung der neuen Kunsthalle 1869. Der älteste der Brüder, Günther Gensler (1803–1884), motivierte schon früh seine Geschwister zum Zeichnen und gab auch später im Auftrag der „Patriotischen Gesellschaft“ Zeichen- und Kunstgeschichtsunterricht. Als Maler widmete er sich vor allem dem Porträt. Am berühmtesten ist sein an holländischen Vorbildern geschultes Gruppenbild „Die Mitglieder des Hamburger Künstlervereins im Jahre 1840“. Die drei Genslers sind nicht nur auf dem Ölbild die Hauptpersonen, sie hatten auch sonst wesentlichen Anteil an der Institutionalisierung der Kunst in Hamburg durch Vereinsausstellungen in den Börsenarkaden und dem unermüdlichen Einsatz für die Gründung einer Kunsthalle.

Mittelalterspezialist Martin Gensler (1811–1881) zieht rechts auf dem Bild einen Druck aus einer Mappe. Er hat in vielen Studien die zunehmend dem Abbruch überlassenen historischen Bauten der Hansestadt gezeichnet und gemalt, vor allem Studien des Johannesklosters sind in der Ausstellung zu sehen. Martin wird in der Jury sitzen, die die Architekturentwürfe der neuen Kunsthalle begutachtet, er wird sich an der Innenausstattung beteiligen und die erste Hängung der Bilder besorgen, während Bruder Günther die Eröffnungslaudatio auf den befreundeten Sammler Georg Ernst Harzen halten wird.

Der im hellen Anzug auf dem Bild in der Mitte sitzende Genremaler Jacob Gensler (1808–1845) konnte durch seinen frühen Tod nicht mehr an der Kunsthalleneinweihung teilnehmen. Kurzzeitig Schüler des greisen Goetheporträtisten Tischbein in Eutin, entdeckte er später erst den Reiz der Alpen, dann den der Hamburger Umgebung. Wolkenstudien und Blumenbilder, Tiroler Schmuggler in heroischer Landschaft, Blankeneser Reepschlägerinnen und Plain-Air-Studien des Elbstrandes qualifizierten ihn, auch die qualmende Ruinenlandschaft nach dem großen Hamburger Brand zu malen.

Ein Jahr danach beschloss der Hamburger Senat, sich für die internationale Hilfe mit 37 künstlerisch ausgemalten, individuell gestalteten Dankdiplomen zu revanchieren. Je sechs davon wurden von Jacob und Martin Gensler ausgeführt. Trotz intensiver Recherche in mehreren Saatsarchiven konnte keine davon mehr gefunden werden, so blieben allein einige Entwürfe solch vergessener Dankesgesten. Eine andere ist die Goldmedaille, die Günther Gensler für seine Lehrtätigkeit zur Belohnung bekam – eine Vergegenständlichung, die der zunehmend kommerzialisierte und privatisierte Kunstbetrieb heute nicht mehr für nötig hält.

Gensler – Drei Hamburger Maler, Hamburger Gang der Kunsthalle, Glockengießerwall 1, Di - So 10 - 18 Uhr, Do 10 - 21 Uhr, bis 14. November. Der Katalog kostet 16 Mark