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Gentechnik macht Mäuse treu

US-Forschern gelang es, bei Wühlmäusen eine Gensequenz zu isolieren, die entscheidet, ob die Mäuse-Männchen bei ihrer Partnerin bleiben oder nicht  ■   Von Matthias Urbach

Berlin (taz) – Ein einzelnes eingesetztes Gen und eine tägliche Spritze eines Peptidhormones, mehr braucht es nicht, um aus einem treulosen Schwerenöter einen umsorgenden Mäusevater zu machen. Das ermittelten Thomas Insel und Larry Young von der Emory Universität in Atlanta, USA, in ihren Tierversuchen. Ihrer Meinung nach ist es das erste Mal, dass durch die Manipulation eines einzelnen Gens ein komplexes soziales Verhalten auf den Kopf gestellt werden konnte.

Die beiden hatten festgestellt, dass sich die Gene zweier Wühlmausarten kaum, ihr Sozialverhalten aber drastisch unterscheidet: Während die männliche Präriemaus monogam lebt und sich genauso sehr um ihren Nachwuchs kümmert wie das Weibchen, lebt die männliche Bergmaus polygam und büchst nach der Paarung sofort wieder aus.

Wie die Forscher feststellten, sind die Andockstationen (Rezeptoren) für den hormonellen Botenstoff Anginin Vasopressin bei den beiden Arten an verschiedenen Stellen im Hirn konzentriert. Verantwortlich dafür ist ein Unterschied in der Steuersequenz des Rezeptor-Gens. Also entnahmen Young und Insel einer Präriemaus die entsprechende Sequenz und bauten sie in eine einzelgängerische Labormausart ein. Die Tiere wurden prompt zu treuen Liebhabern, wenn man ihnen Vasopressin spritzte.

Freilich räumen auch die Forscher ein, dass weitere Gene für das monogame Verhaltensprogramm der Mäuse verantwortlich sind, doch offenbar krempelte eine Änderung alles um. Nun wollen die Verhaltensforscher auch Primaten untersuchen, um schließlich Schlüsse über den Menschen ziehen zu können. „In menschlichen Kulturen werden wir wahrscheinlich finden, dass Erfahrung und Werte das Verhalten sehr viel stärker beeinflussen“, sagt Young. Natürlich folgt soziales Verhalten aus einem Wechselspiel von Umwelteinflüssen und den Genen.

Bereits vor ein paar Jahren bewiesen ebenfalls amerikanische Forscher mit transgenen Mäusen, dass eine Störung in den Genen, die für den Neurotransmitter-Stoffwechsel wichtig sind, aggressives Verhalten auslösen kann. Der Gendefekt war zuvor von holländischen Forschern bei besonders aggressiven Menschen gefunden worden. Besondere Aufregung hatte 1993 die Behauptung ausgelöst, Homosexualität sei genetisch festgelegt. Diese Woche erklärte allerdings ein Forscherteam von der Universität in Western Ontario, dass sie dieses Ergebnis in einer Untersuchung des Erbgutes von 52 Bruderpaaren, die jeweils beide schwul waren, nicht reproduzieren konnten.

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