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Damals ist morgen

■ Nach zwölf tristen Jahren Dahinsiechen in den Niederungen der Profikicker-Zunft: Wie der neue Hamburger SV mit dem Gewinn des UI-Cups zurück in die alten Zeiten möchte

Ein paar Gewerbebetriebe, ein trostloser Park und eigentlich nichts, was zum Bleiben einlädt: Bisweilen war das Revier um das Volksparkstadion bereits eine halbe Stunde nach Spielende wie ausgestorben. Nicht so am vergangenen Sonnabend: Mit einem überzeugenden 3:0-Triumph des Hamburger SV gegen den VfB Stuttgart (siehe auch Leibesübungen Seite 16 und 17) und den daraus resultierenden Fangesängen euphorischen Ausmaßes wie dem über Jahrzehnte hinweg gefürchteten Frage- und Antwort-Spiel „Wer wird Deutscher Meister? Ha-Ha-Ha-HSV!“ katapultierten sich Spieler und HSV-Freunde gleichermaßen zurück in die achtziger Jahre. Mit anderen Worten: Der HSV genießt wieder einen in sportlicher Hinsicht guten Ruf – und das auch über die norddeutsche Tiefebene hinaus.

Nachdem das einzige noch verbliebene Bundesliga-Gründungsmitglied zwölf triste Jahre in den Niederungen der Profi-Kickerzunft dahinsiechte und sich nur durch seinen in der Happel-Ära erworbenen Nostalgie-Nimbus über Wasser hielt, macht sich nun eine neue, beinahe schon überschwängliche Hoffnung auf bessere Zeiten breit. Nicht nur, dass manche Fans vor den Vorverkaufsstellen campierten und gar weinten vor Freude, doch noch eine Karte für das morgige, zweite UI-Cup-Finale gegen den SC Montpellier (18 Uhr in der ausverkauften Volks-Arena) ergattert zu haben. Oder dass die Ticket-Hotline des Vereins zu heiß lief und schon seit zwei Wochen schweigt. Nein, auch Parallelen zu der einst glamourösen Zeit, als man durch Bananen-Flanken Deutscher Meister und durch Ungeheuer-Tore Europapokalsieger wurde, werden nun vielerorts wieder aufgewärmt, nach dem Motto: „Der Anthony Yeboah ist so ein richtiger Hrubesch-Typ“ oder „Rudolfo Cardoso spielt wie Magath in seinen besten Zeiten“.

Die Anhängerschaft ist obenauf. Gerne verweisen aber auch seinerzeit beteiligte Spieler wie der heutige Team-Manager Bernd Wehmeyer auf die Welt jenseits der durchgestylten „Fußballshow“. „Damals“, gab sich „Fummel“ kürzlich der Süddeutschen Zeitung in Schwelgerei hin, „haben sogar zwei waschechte Hamburger in der Elf gespielt.“ Ob das Team von anno dazumal allerdings besser kickte als die derzeitigen Enkel, von denen kein Einziger hanseatischen Ursprungs ist, vermochte Wehmeyer nicht zu sagen.

Sicher ist nur eines: Die Profilierung des HSV als norddeutsches Pendant zum FC Bayern München läuft auf vollen Touren. Schon bald soll die Hansestadt einzig über den HSV 2000 philosophieren – obgleich dieser zu alten Taten zurücckehren möchte. Das hochmoderne und somit hundertsechzig Millionen Mark schwere neue Stadion und diverse Neuheiten in der Fanbetreuung sollen den Hamburger SV für seine Fangemeinde wieder zum Ereignis werden lassen.

Ein weiteres Déjà-vu-Erlebnis steckt bereits in den Vorbereitungen: Sollten die Rothosen nach dem 1:1 aus dem Hinspiel morgen gegen Montpellier gewinnen oder zumindest torlos remmieren, stünde die Elf um Trainer Frank Pagelsdorf in der ersten Runde des UEFA-Pokals. „Europa, der HSV kommt“, titelte daher auch vorsorglich die Stadionzeitung HSV live beim Stuttgart-Spiel, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Sportchef Holger Hieronymus brachte das neu gewonnene Selbstvertrauen endgültig zum Ausdruck: „Die bisherigen Leistungen haben gezeigt, dass unsere Ansprüche zu Recht formuliert sind“, möchte der 40-Jährige den Hamburger SV natürlich nicht nur im Europapokal, sondern auch gleich wieder in der Bundesliga-Spitze sehen.

Und seien wir doch mal ehrlich: Hat denn ein Mann wie Keeper Hans-Jörg Butt wirklich weniger Charisma als, sagen wir, Oliver Kahn? Na bitte. Oliver Lück

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