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Kämpfen? Immer! Spielen? Selten!

„Jaaa, die Euphorie war ja schön“: Mit dem 0:1 gegen Schalke scheint bei Werder Bremen die altbekannte Beschaulichkeit wieder eingekehrt zu sein  ■   Aus Bremen Jochen Grabler

„Jaaa“ – Werder-Trainer Thomas Schaaf lächelt freundlich in die Runde, „jaaa, die Euphorie war ja ganz schööön.“ Kleine Pause. „Aber es ist eben nicht so einfach“ – das klingt wie das Zwischenzeugnis für eine Grundschulklasse. Und heißt: Der Übungsleiter verordnet Nachsitzen für die gesamte grün-weiße Lerngruppe.

Das ist auch nötig. Denn was die so hoffnungsvoll in die junge Saison gestartete Bremer Mannschaft am Samstag gegen Schalke 04 gezeigt hat, das war zu wenig. Zu wenig, gemessen an der Erwartung, mit dem modernen Trainer Schaaf würde es im Weserstadion endlich mal wieder Spielkultur zu bestaunen geben. Zu wenig, um die Zeit der Sorgen um den Ligaverbleib der Bremer zu beenden. Allemal zu wenig für die frischen Träume vom oberen Tabellendrittel. Vorerst ist der SV Werder in dieser Saison ganz der alte. Nervös und verhudelt. Schrecklich!

Und was nicht minder schrecklich war: Auch die Schalker scheinen sich treu geblieben zu sein. Es wird ordentlich gerannt und gerackert und gekämpft. Gespielt aber wird fast nur dann, wenn der Spieler Thon verwickelt ist. Doch der hat dazu eher selten Gelegenheit, denn auch er ist vorwiegend mit anderem beschäftigt. Eben rennen und rackern und kämpfen. Und wenn ein kreativschwaches Team auf ein anderes trifft, dann ist das Spiel – wie so ein Spiel eben ist: eine 20-beinige Blockade jeweils 20, 30 Meter rechts und links der Mittellinie, eine Schwachpartie, bestenfalls Liga-Mittelmaß.

Der Schalker Sieg ist nur deshalb verdient, weil es gemeinhin die vornehmste Aufgabe der Heimmannschaft ist, sich um die Spielgestaltung zu kümmern. Im Wettstreit ums bessere Hintendrinstehen und Vorne-mal-Sehen waren die Blauen einfach besser. „Jaaa“, sagt Thomas Schaaf. „So haben wir uns das nicht vorgestellt.“ Sondern so: Durch die Viererkette kann die Mannschaft den Gegner im Mittelfeld durch Überzahl-Situationen unter Druck setzen, um dann mit schnellen Kurzpässen die gegnerische Defensive so auseinanderzureißen, daß genügend Raum für die eigenen Angriffskräfte entsteht, damit die – hussa – na, den Rest kann man sich denken.

So weit die Theorie. Klappt nur nicht mit einer Mannschaft, die zwar einigermaßen die Kreise des Gegners zu stören, aber hernach nichts mit dem Spielgerät anzufangen weiß. Kaum hatten sie den Ball erkämpft, hatten sie ihn auch schon wieder in die Beine irgendeines heranstürzenden Schalkers gedaddelt. Mal war's der enttäuschende Maximow, mal der bemühte Eilts, gerne der hyperaktive Wicky. Von der kalten Sicherheit aus dem Pokalfinale war nichts mehr zu spüren, dafür umso mehr die notorische Heimspiel-Nervosität der letzten Saison. Nur die Gladbacher hatten da weniger Punkte daheim erzielt als die Bremer.

Die hoffen nun, daß der alte Herr Julio Cesar am kommenden Wochenende seine Müdigkeit überwunden hat und der Bremer Defensive gegen Hertha Sicherheit geben kann. Und sie hoffen auf einen, der erst am Mittwoch in Bremen einschweben wird. Claudio Pizarro, frischgebackener peruanischer Nationalstürmer, von dem lediglich bekannt ist, daß er in einem Spiel fünf Tore geschossen hat. Wer kennt sich schon im peruanischen Fußball aus?

Doch während Cesar und Pizarro eher vage Hoffnungen wecken können und die Furcht vor einer erneuten verhauenen Saison in Bremen umgeht, kann sich das Publikum auch freuen. Mitten in der bremisch-gelsenkirchener Tristesse. Wenn Sie bitte notieren wollen: Razundara Tjukuzu, der Einfachheit halber Raschi genannt, 19-jähriger namibischer Nationalspieler, drei Jahre lang geschult in Werders Talentschmiede, ist in seinem gerade mal zweiten Bundesliga-Spiel derart rotzfrech auf der rechten Außenbahn an seinen Gegenspielern vorbeimarschiert, hat Weitschüsse gewagt und prima Flanken geschlagen, daß man sich an einen erinnern möchte, der seiner Zeit gerade in Bremen sein Bundesligadebüt gab. Auf der rechten Außenbahn. Für Frankfurt. Fast sieben Jahre ist es her. Und er hieß: Jay Jay Okocha. Tjukuzu, das ist so einer. Wetten werden angenommen.

Bis dahin heißt es aber: „Jaaa, jetzt müssen wir uns Stück für Stück nach vorne arbeiten.“ Na, hoffentlich.

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