: Fünf Vorschläge fürs neue Millenium
■ Positive Utopie via Tanztheater: Beim Sommertheater-Festival zeigt der Portugiese Rui Horta seine von Italo Calvino inspirierte Choreografie „Zeitraum“
Seine bühnenbildnerische Spezialität heißt Wasser. Im Frankfurter Künstlerhaus Mousonturm überschwemmte Rui Horta einst die gesamte Bühne. Heute geht der portugiesische Choreograf mit langjähriger Wirkungsstätte in Deutschland wesentlich sparsamer mit dem Nass um: In seiner neuen Produktion Zeitraum. The Space of Time ergießt sich am Schluß lediglich der Inhalt eines seiner berühmten gläsernen Würfel auf den Boden. Dafür strömt hinter den vier Tänzern und zwei Tänzerinnen ein gefilmter Fluss vorbei. Die Schnelligkeit der Fluten korrespondiert dabei mit dem hohem Tempo der Akteure.
Der Fluss heißt Isar, und das lag ja auch buchstäblich nahe, denn Rui Horta hat sein Tanzstück in der Münchener Muf-fathalle erarbeitet, wo er nach der Auflösung seines in Frankfurt beheimateten S.O.A.P Dance Theatres und einer Zeit der Wanderschaft nun für drei Jahre als choreographer in residence tätig ist. Finanziert wurde das Projekt mit Hilfe des mit 250.000 Mark dotierten Deutschen Produzentenpreises für Choreografie, dessen zweiter Gewinner Rui Horta ist. Alle zwei Jahre wird dieser Preis von einer ganzen Reihe von Theatern und Veranstaltern verliehen, darunter auch Kampnagel und das Sommertheater-Festival.
Literarische Quelle für Zeitraum ist Italo Calvinos unvollendetes Buch Sechs Vorschläge für das nächste Jahrtausend. Fünf Tugenden konnte Calvino der Menschheit noch ans Herz legen, bevor er starb: Leichtigkeit, Schnelligkeit, Genauigkeit, Sichtbarkeit und Vielfältigkeit. Deren Übersetzung in Tanz findet entlang zweier langer Metallstangen statt, die den Raum mal horizontal und mal vertikal durchteilen.
An zwei Aufführungstagen beim Internationalen Sommertheater- Festival wollen Rui Horta und seine Compagnie stage works (namentlich Bertha Bermudez, Olga Cobos, Nicola Carofiglio, Bruno Heynderickx, Volker Michl und Peter Mika) das Hamburger Publikum für ihre (positive) Utopie begeistern. Die hiesige Nähe zum Wasser ist dabei natürlich hilfreich.
Ralf Poerschke
heute und 25. August, jeweils 20 Uhr, k6
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen