: Zwangsumsatz für Center-Händler
■ Im Weddinger Gesundbrunnen-Center werden die Händler verpflichtet, ihr Geschäft zu den im Einkaufszentrum üblichen Zeiten offen zu halten. HBV kritisiert „Knebelverträge“
Berliner Einzelhändler sind bei der Entscheidung über ihre Öffnungszeiten nicht so frei, wie es bei der Diskussion um die Liberalisierung des Ladenschlusses den Anschein haben könnte. Das zeigt unter anderem ein aktueller Mietvertrag aus dem Weddinger Gesundbrunnen-Center, der der taz vorliegt. Darin verpflichtet sich der Mieter gegenüber der Vermieterin, der Hamburger ECE Projektmanagement GmbH, sein Geschäftslokal „an allen Verkaufstagen so lange offen zu halten, wie die überwiegende Anzahl aller Mieter ihr Geschäft offen hält“.
Weiter heißt es in dem Vertrag: „Die Öffnungszeiten können durch Beschluss des Vorstandes der Werbegemeinschaft mit Zustimmung des Vermieters verbindlich für alle Mieter festgelegt oder verändert werden.“ Zeitweise Schließungen (zum Beispiel aus Anlass von Mittagspausen, Ruhetagen, Betriebsferien, Inventuren) seien nicht zulässig.
„Das sind eindeutig Knebelverträge“, sagte der Chef der Berliner Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV), Manfred Birkhahn, gestern der taz. Auch in anderen Centern seien die Verträge ähnlich, so Birkhahn. Der einzelne Händler habe nicht die unternehmerische Freiheit zu entscheiden, wann er öffnen wolle. Deshalb gebe es auch einen gewissen Unmut. Birkhahn: „Aber die trauen sich nicht, sich aus dem Fenster zu lehnen.“
Diese Kritik lässt der stellvertretende Center-Manager Frank Mombauer nicht gelten. „Jeder Mieter weiß die Regelung abgestimmter Öffnungszeiten zu schätzen.“ Diese seien kaufmännisch sinnvoll – sowohl für das Gesamtcenter, das unter anderem mit einheitlichen Besuchszeiten werbe, als auch für den einzelnen Händler. „Hätten wir in jedem Geschäft unterschiedliche Zeiten, würden die Kunden durcheinander kommen und möglicherweise fernbleiben“. Den Schaden hätten alle, so Mombauer. Wenn einzelne Mieter Probleme hätten, könne man immer darüber diskutieren.
Auch Gernot Bazin, Geschäftsführer des Berliner Einzelhandelsverbandes, findet die einheitlichen Öffnungszeiten völlig in Ordnung. „Ich sehe das nicht so dramatisch.“ Schließlich bestehe die unternehmerische Freiheit der Händler darin, einen Vertrag abzuschließen oder nicht. Außerdem seien die mittlerweile 33 Einkaufscenter in Berlin sehr erfolgreich, denn entgegen dem allgemeinen Trend im Berliner Einzelhandel stiegen deren Umsätze. Auch deswegen empfiehlt Bazin den Händlern, kiez- oder straßenweise Arbeitsgemeinschaften zu bilden. Ein Essential dieser Gemeinschaften: die Abstimmung der Öffnungszeiten. Auf freiwilliger Basis.
Richard Rother
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