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■ Barbier des Tages: Der Hammerwerfer mit dem fiesen TrickKarsten Kobs (badet in Gold)

Er lag einfach so da. Hatte gerade den Hammer in seinem ersten Wurf auf 80,24 Meter geschleudert, kurz gebrüllt und war dann aus dem Ring gestapft. Karsten Kobs (27) tanzte nicht vor Freude; er legte sich auf die Tartanbahn und schloss die Augen. Er war 1,96 Meter Selbstvertrauen, 118 Kilo Konzentration. So beherrscht war der Dortmunder beim größten Wettkampf seiner Karriere.

„Ich habe vor keinem mehr Angst“, hatte er noch vor dem Finale gesagt, als würde das was helfen. Es half was. Es waren die anderen, die vor ihm Angst hatten. Schultern zuckten, Köpfe wurden geschüttelt: Kobs hatte gleich zu Beginn seine Rivalen entnervt, keiner kam weiter als jene 79,05 Meter des Ungars Zsolt Nemeth.

Weinen bei Weis: Kobs  Foto: AP

Es dauerte fast bis Mitternacht, dann war Kobs Weltmeister, der erste deutsche dieser WM. 1997 noch war ihm Heinz Weis bei seinem Titelgewinn jubelnd in die Arme gesprungen, jetzt brachen bei Kobs die Dämme: Er sprang in den Wassergraben. Der zweifache deutsche Meister war 1998 EM-Dritter und führte mit 82,78 Meter dieses Jahr die Weltbestenliste an. „Kobs hat sich technisch sehr gut entwickelt“, sagt Bundestrainer Bernhard Riedel. Das bedeutet: Der Musterathlet hat endlich die Fliehkräfte besser im Griff.

Denn das Rotationsprinzip macht Hammerwerfen so knifflig: Zuerst die Kugel drehen, dann dazu den Körper, immer schneller werden und am besten bei alledem nicht stolpern, wenn das bis zu Dreifache des Körpergewichts auf der Rumpfmuskulatur lastet. Es ist ein Kraftakt, und deshalb röhren die Schwerathleten dem Hammer so lange wütend hinterher.

„Wenn du alles richtig machst, fliegt er von allein“, hat Heinz Weis mal gesagt. Denn wenn ein Werfer die Balance findet, fühlt er sich schwerelos inmitten der Kräfte, die an ihm zerren. Schwerelos, das muss ein schönes Gefühl sein. Karsten Kobs wird es kennen, spätestens seit Sonntag Abend, spätestens seit seinem Bad im Wassergraben. Rüdiger Barth

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