■ Rot-Grün verabschiedet das 30-Milliarden-Sparpaket: Wollen die Jungen eine härtere Politik?
Es findet sich immer Verräterisches, wenn deutsche Politiker oder Wirtschaftsexperten im Ausland etwas über ihr Heimatland sagen. Auch wenn es ein Lob ist. So verkündete Norbert Walter, Chefökonom der Deutschen Bank, kürzlich in der New York Times: „Die Befürworter eines aufgeblasenen staatlichen Sektors verstummen auf den Titelseiten der liberalen Zeitungen. Die jüngere Generation im Parlament kommt in Führungspositionen. Und die Altersgenossen dieser Gesetzesmacher, Journalisten in ihren Dreißigern, schreiben zunehmend Leitartikel, die vehement für Reformen und gegen den lähmenden Status quo plädieren.“
Die Thirtysomethings in Deutschland befürworten laut Walter eher Einsparungen im staatlichen Sektor und die Privatisierung der eigenen materiellen Sicherung. Je jünger, desto reformer. Ist es tatsächlich so simpel? Verschwinden die alten Gerechtigkeitsdebatten über oben und unten hinter den Gegensätzen zwischen Alt und Jung, Ausgeben und Kürzen? Andersherum: Wollen die Jüngeren tatsächlich eine härtere Politik des Sparens?
Ja. Und das liegt schlichtweg am System. Die massivste Umverteilung ist der sogenannte Generationenvertrag. Deswegen sind die rot-grünen Rentenpläne auch eine Reform für die Jüngeren: Kürzungen, die für die einzelnen Ruheständler nur marginale Einbußen bedeuten, summieren sich über die Jahre hinweg zu Einsparungen in zweistelliger Milliardenhöhe. Eichel will „nachhaltig wirtschaften“, also irgendwann nicht mehr Geld für Soziales ausgeben als einnehmen. Das klingt vernünftig, doch im Polarisieren zwischen „jung, sparwillig, zukünftig“ einerseits und „alt, teuer und vergangen“ andererseits liegt auch eine ideologische Gefahr. Denn selbstverständlich kommt es zu tief greifenden Umverteilungen, wenn im Zuge sozialer Kürzungen auch die Wirtschaft dereguliert wird. In den USA haben sich die Einkommensunterschiede zunehmend verschärft. Es wird auch in Deutschland nach wie vor um oben und unten gehen. Die Gefahr der neuen Verzeitlichung der sozialen Debatte zwischen Jung und Alt besteht darin, dass diese Umverteilungen dann nicht mehr wahrgenommen werden. Barbara Dribbusch
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