: Eichel zeigt die Zähne
■ Das Kabinett beschließt sein Sparprogramm, und der Finanzminister droht dem Saarland, den Geldhahn zuzudrehen, wenn es die Rentenpläne torpediert
Berlin (taz) – Der Kabinettsbeschluss zum Sparpaket war kaum gefasst, da haute der sonst so nette Hans Eichel auf den Tisch. Der Finanzminister drohte dem Saarland indirekt mit Entzug der Bundeshilfe, falls dessen Ministerpräsident Reinhard Klimmt (SPD) dem rot-grünen Sparpaket samt Rentenplänen im Bundesrat nicht zustimmt. „Solidarität ist keine Einbahnstraße“, sagte Eichel vor der Bundespressekonferenz – und spielte auf die 1,2 Milliarden Mark an, die jährlich als Bundeshilfe an die Saar gehen. Ohne diese Bundesergänzungszuweisungen ist das Saarland de facto pleite.
Der auf die Inflationshöhe begrenzte Anstieg der Renten ist Teil des Sparpakets, offiziell „Zukunftsprogramm 2000“, das die Bundesregierung gestern beschlossen hat. Das Kabinett kürzt mit dem Zukunftsprogramm den Bundeshaushalt für das Jahr 2000 um 30 Milliarden Mark. Dazu sind Dutzende von Gesetzesänderungen nötig – zum Beispiel das Einfrieren der Renten für zwei Jahre auf dem Niveau der Preissteigerung. Klimmt ist strikt gegen diese Deckelung der Altersversorgung. Er war auch nach einem Gespräch mit Bundeskanzler Schröder und dem SPD-Präsidium Anfang der Woche bei seiner ablehnenden Haltung geblieben. Er werde dem Zukunftsprogramm im Bundesrat nicht zustimmen, kündigte der Ministerpräsident an, falls es beim Rentenbeschluss bleibe.
Eichel gab nun in Richtung Klimmt zurück, man müsse das Zukunftsprogramm „im Zusammenhang betrachten“. In seinem, Eichels, Entwurf sei immerhin die „gesamte Finanzierung für Bremen und das Saarland“ mit enthalten. Amtsvorgänger Waigel hingegen hatte die Bundeshilfen bereits gestrichen. „Ich bin nicht der Typ für Drohungen“, zeigte Eichel die Zähne, „aber Bundestreue ist eine gegenseitige Veranstaltung.“
Der Begriff der Bundestreue stammt aus dem Grundgesetz. Er bedeutet, dass der Bund finanzschwachen Ländern hilft. Im Gegenzug kann der Bund Rücksicht bei Gesetzesregelungen erwarten, „deren Auswirkungen über die Landesgrenzen hinaus reichen“. Der saarländische Staatshaushalt hat 1999 einen Umfang von 6,4 Milliarden Mark. Allein 1,2 Milliarden Mark davon stammen aus der Kasse von Finanzminister Eichel. Außerdem profitiert das Saarland von Kohlesubventionen in dreistelliger Millionenhöhe. Trotz dieser Hilfen hat Klimmts Finanzministerin Krajewski im 99er-Budget mehr als 500 Millionen Mark Defizit.
Das „Zukunftsprogramm 2000“ soll heute von der SPD-Fraktion beschlossen werden. Am 14. September erfolgt die erste Lesung im Bundestag. Der Bundesrat wird sich voraussichtlich am 26. November mit dem Gesetzespaket befassen. Finanzminister Eichel sagte, er erwarte für den Herbst „eine vernünftige Lösung“. Christian Füller
Kommentar 11
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen